Der »Ruf aus Dresden« 1990 und wie er erhört wurde

Im November 1989 bildete sich eine Bürgerinitiative, die mit ihrem »Ruf aus Dresden« am 12. Februar 1990 erstmals an die Öffentlichkeit trat. Aus der Bürgerinitiative ging die Gesellschaft zur Förderung des Wiederaufbaus der Frauenkirche Dresden e. V. hervor, die unter dem Vorsitz des Musikers Prof. Ludwig Güttler die eigentlichen Initiatoren des Wiederaufbaus in sich vereinte.

Als Mitglieder der Bürgerinitiative für den Aufbau der Frauenkirche unterzeichneten den "Ruf aus Dresden":

Prof. Ludwig Güttler, Musiker (Sprecher)
Prof. Dr. h. c. mult. Manfred von Ardenne, Physiker
Dr. Otto Baer, Architekt, Oberkirchenrat i. R.
Hans-Helmut Bickhardt, Pfarrer
Dr. Karlheinz Blaschke, Kirchenhistoriker
Steffen Gebhardt, Architekt
Dr. Karl-Ludwig Hoch, Pfarrer
Hans-Christian Hoch, Zahnarzt
Dr. Hans-Joachim Jäger, Bauingenieur
Friedrich-Wilhelm Junge, Schauspieler
Dr. Walter Köckeritz, Architekt
Prof. Dr. habil. Dr. h. c. Heinrich Magirius, Denkmalpfleger
Dr. Joachim Menzhausen, Kunsthistoriker
Heinz Miech, Kunsthändler
Prof. Dr. Hans Nadler, Architekt, Denkmalpfleger
Dr. Hans-Joachim Neidhardt, Kunsthistoriker
Wolfgang Preiß, Bauingenieur
Prof. Dr. Hermann Rühle, Bauingenieur
Dieter Schölzel, Architekt
Dr. Rudolf Stephan, Mikrobiologe
Dr. Günter Voigt, Zahnarzt
Dr. Roland Zepnik, Bauingenieur

»Am 13. Februar 1945 - wenige Wochen vor Ende des bereits entschiedenen Krieges - legten Luftangriffe auch die Dresdner Frauenkirche in Trümmer. Jahrzehntelang war diese Ruine Anklage und Mahnmal für alle friedliebenden Menschen. In der schweren Zeit politischer Bedrückung und weltweiter Hochrüstung haben junge Menschen immer wieder brennende Kerzen auf die Ruine gestellt. In gewaltlosem Protest wollten sie Hoffnungszeichen setzen für eine Zeit des Friedens, der Gerechtigkeit und der Bewahrung des Lebens. Doch der weitere Verfall der Ruine ist nicht aufzuhalten. Ihre Sicherung und Erhaltung würde umfangreiche bauliche und finanzielle Anstrengungen erfordern.Wir wissen, daß unsere sächsische Landeskirche keine Mittel für einen Wiederaufbau der Frauenkirche zur Verfügung hat.

Wir wissen, daß weder unsere Stadt noch unser Land diesen Aufbau finanzieren können. Wir wissen, daß Kirchen der Bundesrepublik Deutschland den Aufbau vieler Gotteshäuser in unserem Lande ermöglicht haben. Wir wissen auch, daß Neubauten und Erhaltung von Altbauten angesichts des Zerfalls vieler Gebäude notwendiger sind, als der Aufbau der Frauenkirche.

Dennoch: Wir wollen uns nicht damit abfinden, daß dieses einmalige und großartige Bauwerk Ruine bleiben soll oder gar abgetragen wird. Wir rufen auf zu einer weltweiten Aktion des Wiederaufbaues der Dresdner Frauenkirche zu einem christlichen Weltfriedenszentrum im neuen Europa. In diesem Gotteshaus soll in Wort und Ton das Evangelium des Friedens verkündet, sollen Bilder des Friedens gezeigt, Friedensforschung und Friedenserziehung ermöglicht werden. Damit würde der Weltkultur ein architektonisches Kunstwerk von einzigartiger Bedeutung wiedergeschenkt, das mit dem Namen des genialen Erbauers, George Bähr, aber auch mit dem Namen Gottfried Silbermann, Johann Sebastian Bach, Heinrich Schütz und Richard Wagner verbunden ist. Damit würde ein steinernes Zeugnis des christlichen Glaubens wieder erstehen; ein Gotteshaus, das sich die evangelische Bürgerschaft auf den Fundamenten der ältesten Kirche Dresdens errichtete. Damit würde eines der schönsten Städtebilder im Herzen Europas wieder seine beherrschende Krönung, die „Steinerne Glocke“, erhalten, ohne die der Wiederaufbau Dresdens Stückwerk bliebe.

Wir rufen auf zur Bildung einer internationalen Stiftung für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche, die in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen werden soll. Wir wenden uns besonders an die Staaten, die den zweiten Weltkrieg geführt haben. Es ist uns dabei schmerzlich bewußt, daß Deutschland diesen Krieg entfesselt hat.

Dennoch: Wir wenden uns auch an die Siegermächte und die vielen Menschen guten Willens in den USA, in Großbritannien und in aller Welt: ermöglicht dieses europäische „Haus des Friedens“! Wir wenden uns an die Dresdner in der Ferne: Dankt Eurer Heimatstadt durch ein Opfer zur Wiedererrichtung der Frauenkirche. 45 Jahre nach ihrer Zerstörung ist auch für uns die Zeit herangereift, die Frauenkirche als einen verpflichtenden Besitz der europäischen Kultur wiedererstehen zu lassen.

Darum rufen wir aus Dresden um Hilfe.«

 

Bereits im November 1991 gründete die Fördergesellschaft gemeinsam mit dem Evangelisch-Lutherischen Landeskirchenamt Sachsens die Stiftung Frauenkirche Dresden e .V. in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, die die bis zur Gründung der Stiftung Frauenkirche Dresden im Jahr 1994 die Bauherrschaft für den Wiederaufbau übernahm.

Dank der Fördergesellschaft wurden ungezählte Projekte und Initiativen gestartet, die im In- und Ausland wirkenden Freundeskreise aufgebaut und Verbindungen, z. B. zur Bundesregierung und zu einzelnen Spitzenpolitikern, hergestellt. Die Gesellschaft warb eine beachtliche Summe an Spenden ein. So wurde z. B. ein Erlös von 22,5 Mio. € (damals 45 Mio. DM) aus dem Münzgewinn der Gedenkmünze für den Wiederaufbau von 1995 erzielt und 6 Mio. € aus dem gemeinsam mit der Ostsächsischen Sparkasse Dresden organisierten Verkauf von 450.000 Frauenkirchenuhren.

Die von der Fördergesellschaft seit Beginn ihres Wirkens eingebrachte und an die Stiftung überreichte Gesamt-Spendensumme betrug einschließlich der Sachspenden 35 Mio. €. Darüber hinaus wurden durch die Fördergesellschaft über 15 Jahre hinweg in hohem Umfang Leistungen für den Wiederaufbau ehrenamtlich erbracht. Am Gesamtertrag der Stifterbrief-Aktion der Dresdner Bank von über 68 Mio. € war die Fördergesellschaft mit ca. 10 Mio. € beteiligt.

Die Wiederaufbau-Fördergesellschaft hatte am Ende mehr als 5.600 Mitglieder in Deutschland und über 20 weiteren Ländern. Es existierten 24 Freundeskreise in Deutschland und vier Fördervereine im Ausland. Inzwischen hat die Gesellschaft zur Förderung des Wiederaufbaus der Frauenkirche Dresden e. V. ihre Tätigkeit eingestellt, da der Vereinszweck, mit dem vollendeten Wiederaufbau erfüllt war.

Die Gesellschaft zur Förderung der Frauenkirche Dresden e. V. wurde 2003 von den Initiatoren des Wiederaufbaus in Wahrung der historischen Identität der Bürgerinitiative von 1989 gegründet. Ihr Zweck ist die Förderung der wiederaufgebauten Dresdner Frauenkirche. Sie setzt die Arbeit der Gesellschaft zur Förderung des Wiederaufbaus der Frauenkirche Dresden e. V. erfolgreich fort und unterstützt das Leben in der Frauenkirche.