»Mut und Demut«
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20 Jahre Chor der Frauenkirche
Als ich vor über 20 Jahren meinen Dienst als Frauenkirchenkantor begann, hatte ich nicht im Ansatz die leiseste Vorstellung davon, wie reich angefüllt zwei Jahrzehnte Kirchenmusik sein können. Wenn ich nun auf die vergangenen zwei Dekaden zurückblicke, so tue ich dies mit einem dankbaren Staunen.
Im wahrsten Sinne des Wortes war die Zeit wundervoll! Wundervoll reich an Überraschungen, Glück und Erfüllung. Stolz auf das, was der Chor der Frauenkirche in diesen Jahren, die doch so schnell vergingen, aber umso intensiver waren, geleistet hat. Eine Chorbiografie, die nicht reichhaltiger sein könnte!
Nie vergessen werde ich unsere ersten Proben ab dem 4. Januar 2005 in der Unterkirche. Wenige Wochen zuvor hatte ich dazu eingeladen und gleich nach meiner Amtseinführung am 2. Januar machte ich mich ans Werk: Aus den über 200 Anmeldungen bildete ich vier gemischte Chöre, die sich für jeweils eine einstündige Schnupper-Chorprobe trafen.
Nach diesem Gruppenvorsingen hatte ich einen ersten Eindruck über die Leistungsfähigkeit der Sängerinnen und Sänger und wählte über knapp 100 Choristen aus, die ab diesem Zeitpunkt dienstags und mittwochs in den Abendstunden unterschiedliche Werke einstudierten.
Und schon folgte der erste Auftritt am 13. Februar 2005, einmal in einem festlichen Gottesdienst in der Unterkirche anlässlich der Verleihung des Nagelkreuz aus Coventry und dann in der sich anschließenden Nacht der Stille, erstmalig im Hauptraum der Frauenkirche, damals noch eine lebhafte Baustelle.
Bis weit nach Mitternacht sangen wir dort meditative Chormusik während unzählige Besucher das erste Mal die Frauenkirche vor der Weihe besuchen durften, dort Kerzenlichter abstellten und schließlich das ganze Kirchenschiff durch den Schein der Kerzen erleuchtet war (die Beleuchtung war ja noch nicht eingebaut!).
Es folgten nun im ersten Halbjahr etliche Aufführungen in der Unterkirche, doch ungeduldig sehnten wir uns nach dem Tag der Kirchweihe, um unseren großen Chorklang dort oben im Kirchenschiff endlich voll entfalten zu können. Neugierig waren wir auf die Akustik!
Einige Wochen vor der Weihe waren dann beinahe alle Bauarbeiten im Kirchenschiff abgeschlossen, und wir nahmen den Kirchraum akustisch in unseren Besitz, sangen von allen verschiedenen Emporen aus, erkundeten die akustischen Gegebenheiten für uns.
Doch zu diesem Zeitpunkt war die brennende Frage für mich noch nicht beantwortet: In welchen Räumlichkeiten sollen wir uns zukünftig auf die Fülle der geplanten Auftritte vorbereiten? So waren wir nicht nur auf der Suche nach unserem Chorklang, sondern auch auf der Suche nach einem festen Probenort.
Abwechselnd probten wir entweder in der Unterkirche, im Kirchsaal der Reformierten Kirchgemeinde, im Gemeinderaum der Versöhnungskirche oder einige Monate lang im Chorprobensaal des damals unsanierten Kulturpalastes – bis wir dann dauerhaft in der Reformierten Kirche am Brühlschen Garten unser Probendomizil gefunden haben.
Am 30. Oktober folgte mit dem festlichen Weihegottesdienst dann ein nächster Markstein unserer erlebnisreichen Chorbiografie: Festlich stimmten wir den Choralsatz »Allein Gott in der Höhʼ sei Ehr« im Hauptkuppelraum an: himmlische Klänge!
Danach schloss sich eine Adventsund Weihnachtszeit an, die ich inhaltlich bereits ein Jahr vorher schon plante ohne überhaupt zu wissen, ob mir leistungsfähige Chöre zur Verfügung stehen würden – weil ja noch nicht gegründet. Eine spannende Zeit, denn nun galt es, die vielen vom Schreibtisch geplanten Veranstaltungen und Formate schön zum Klingen zu bringen.
Und es gelang. Unvergessen der Anblick einer stets ausverkauften Frauenkirche, über 1.500 Besucher zu den Sonntagsmusiken im Advent, zum Adventsliedersingen, zu den Weihnachtsgottesdiensten. Wir staunten und genossen unser Chor leben von Woche zu Woche.
Und es brach für uns die Zeit an, in der wir die große Chorsymphonik für uns entdecken durften: Im Februar 2006 unsere Premiere mit dem Brahms-Requiem, gefolgt von Gounods Cäcilienmesse, Mendelssohns Paulus und Elias, Bruckners f-Moll-Messe und Te Deum, Elgars Dream of Gerontius, Draesekes Requiem, Mendelssohn Lobgesang zum fünfjährigen Jubiläum verbunden mit einer MDR-Konzertübertragung und und und.
Eine wahrhaft erfüllte Zeit, in der wir unser Repertoire aufbauten. In der zweiten Dekade rückten dann die Messen und Oratorien von Mozart und Haydn als Kontrapunkt zum Klangrausch der Romantik in den Mittelpunkt.
Und bei der Fülle an Auftritten blieb es nicht aus, dass wir dann auch einige beliebte Oratorien bereits wiederholten und mehrmals aufführten, vor allem dann, wenn wir Kooperationen beispielsweise mit dem Theater Altenburg-Gera pflegten und dort in den Sinfoniekonzerten auftraten. Dieses Zusammenwirken brachte uns dann selten aufgeführte Werke in das Repertoire, wie beispielsweise Verdis Quattro pezzi sacri oder Mahlers zweite Sinfonie.
Und dann erinnere ich mich an die großen Gegensätze, die unsere Klangwogen kurzzeitig verebben ließen: die restriktiven Beschränkungen während der beiden Corona-Jahrgänge zwangen uns in kleine Besetzungen. Es wurde still in der Frauenkirche.
Doch immerhin fanden wir schnell unsere neuen Aufgaben - mit Abstand und klanglicher Zurücknahme: Wir entdeckten die digitalen Formate für uns und im Sommer 2020 entstand die Idee des Klingenden Adventskalenders. Eine weitere Erfolgsgeschichte, die im Verborgenen begann – doch auch in diese Aufgabe begaben sich die Sängerinnen und Sänger voll motivierter Musizierfreude.
Neben all den vielen Proben und Auftritten sind mir unsere Weihnachtsfeiern und Sommerfeste in genussvoller Erinnerung, die unsere Chorgemeinschaft prägten. Und noch fester wuchsen wir dann auf unseren jährlichen Chorreisen zusammen, auf der wir mit gepflegter A-Cappella-Musik unsere Klangkultur weiter ausformen durften.
Besonders intensiv waren die Probenwochenenden, die wir regelmäßig außerhalb Dresdens verbrachten. Ein erfüllendes Pensum! Stolz bin ich auf meine Chorsängerinnen und -sänger des Chores der Frauenkirche. Wie viele ungezählte Stunden gemeinsamen Musikglücke me: Wir entdeckten die digitalen Formate für uns wir in diesen 20 Jahren teilen durften!
In Zahlen: über 200 Gottesdienste, 40 Konzerte, 90 Sonntagskonzerte und 50 Gastspielauftritte. 2 Jahrzehnte Chor der Frauenkirche – welch ein reicher Schatz! Von Herzen bin ich dankbar dafür!
Frauenkirchenkantor Matthias Grünert
seit 2004 Kantor der Frauenkirche Dresden sowie
Gründer und Leiter des Kammerchores und des Chores
der Frauenkirche und des ensemble frauenkirche dresden