»Mut und Demut«
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Mut als Kompass
Zivilcourage und ihr Kampf für eine starke Demokratie
Seit über 25 Jahren setzt sich der Verein Aktion Zivilcourage e. V. aus Pirna für mutiges Engagement inmitten einer oft polarisierten Gesellschaft ein. Mit einem tatkräftigen und entschlossenen Team sorgen die Angebote des Vereins dafür, dass Demokratie erlebbar wird. Und sie regen zu Mut an – dem Mut, sich einzubringen, Verantwortung zu übernehmen und aktiv gegen Extremismus aufzustehen.
Franz Werner, Projektleiter bei der Aktion Zivilcourage, lehnt sich zufrieden zurück. Drei Tage intensiver Workshops zum Thema Hass im Netz liegen hinter ihm, seinem Team und 25 Jugendlichen aus ganz Sachsen. Sie haben gelernt, wie sie sich dagegen wehren und anderen helfen können. Denn immer mehr von ihnen erleben online Anfeindungen, Beleidigungen und Mobbing. Die teils gravierenden Folgen reichen von sinkenden schulischen Leistungen bis hin zu psychischen und physischen Gesundheitsproblemen, wie Studien belegen. »Die wahre Herausforderung ist allerdings, den Mut zu finden, aktiv zu werden«, sagt Franz Werner.
Das Besondere an dem Projekt »Goodbye Hate Speech« (Kein Platz für Hass) ist, dass die Jugendlichen ihr Wissen danach weitergeben, indem sie selbst Workshops in ihren Schulen durchführen. Das erfordere Mut auf mehreren Ebenen, so Werner: »Sich für die eigene Meinung einzusetzen, sich auf einen Dialog mit anderen einzulassen sowie Verantwortung und eine Vorbildfunktion zu übernehmen.«
Das Projekt ist eines von zahlreichen Angeboten, die der Verein Aktion Zivilcourage e. V. gezielt für Kinder und Jugendliche entwickelt hat. Denn sie sind es, die die Gesellschaft von Morgen gestalten. Von der Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur bis hin zu Medienkompetenz, von zweistündigen Workshops bis hin zu mehrtägigen Gedenkstättenfahrten – die Themen und Formate sind vielfältig.
Das Ziel aber ist immer das Gleiche: Demokratie erlebbar zu machen und Engagement anzustoßen. Dies zeigt sich auch an der zweiten inhaltlichen Säule des Vereins: derUnterstützung lokaler Initiativen und engagierter Einzelpersonen – etwa durch gezieltes Vernetzen, Hilfe bei der Beantragung von Fördergeldern oder durch Fortbildungen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem ländlichen Raum. Denn hier erfordert es in der Regel noch einmal besonders viel Mut, sich zu positionieren und zu engagieren – wie in Sebnitz.
Als die Aktion Zivilcourage hier 2016 ein Büro eröffnete, wurden die Engagierten vor Ort von Rechtsextremen bedroht, sie waren nicht gut vernetzt und daher öffentlich kaum sichtbar. Das ist heute anders. Es hat sich eine stabile Zivilgesellschaft etabliert – mit einem stetig wachsenden Kreis von Bürgern, die sich aktiv und couragiert für eine offene, demokratische und lebendige Gemeinschaft einsetzen und regelmäßig Veranstaltungen in der Stadt organisieren.
Das Büro der Aktion Zivilcourage ist dabei fester Anlaufpunkt für Treffs und für Austausch. Auch ein von Jugendlichen selbst geführter Jugendclub ist so entstanden. »Zusammen lässt sich nicht nur mehr bewegen, sondern auch leichter Mut fassen, aktiv zu werden«, ist Sebastian Reißig, Mitgründer und Geschäft sführer der Aktion Zivilcourage, überzeugt. Der Pirnaer weiß, wovon er spricht.
»Ende der 1990er-Jahre wurden viele Jugendliche, die nicht zur rechtsextremen Szene gehörten, von den »Skinheads Sächsische Schweiz« bedroht. Als dann einige meiner Freunde zusammengeschlagen wurden, war klar: So kann es nicht weitergehen.«, blickt Reißig auf die Anfangstage des Vereins zurück. Der damals 20-Jährige und einige Gleichgesinnte machten mit verschiedenen Aktionen auf das Problem aufmerksam, sie richteten ein Notfalltelefon für Betroffene ein, brachten wichtige kommunale Akteure von Schulleitungen bis Polizei an einen Tisch und dadurch viel ins Rollen. Daraus entstand 1998 die Initiative Aktion Zivilcourage, die mittlerweile über 30.000 Menschen jährlich mit ihren Angeboten erreicht.
»Veränderung geschieht nur, wenn man losgeht«, resümiert Reißig. Und auch wenn er das Handeln von sich und den anderen im Nachhinein als mutig bezeichnen würde, so habe sich ihnen damals die Frage danach gar nicht gestellt: »Wir mussten einfach etwas tun.«
Mit seiner Expertise für den ländlichen Raum erhält der Verein mittlerweile Anfragen aus dem gesamten Bundesgebiet. Er ist als bundesweiter Träger der politischen Bildung anerkannt und hat in den vergangenen Jahren viele Stift ungspreise und Förderungen erhalten. »Dafür sind wir sehr dankbar und es bestätigt uns darin, dass unsere Arbeit wirkt«, sagt Reißig, der 2021 für sein herausragendes Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde. Gleichzeitig sei jede Auszeichnung ein Antrieb für ihn und sein 47-köpfiges Team, noch mehr zu bewirken. Denn der Bedarf ist da und übersteigt die Möglichkeiten des Vereins.
»Vielen Kommunen, Schulen oder Kindergärten können wir aktuell nur einen Platz auf unserer Warteliste anbieten«, sagt Reißig. Der Verein benötigt mehr finanzielle Mittel. Dabei kann und will er sich nicht nur auf öff entliche Gelder verlassen, denn diese seien nun mal begrenzt. Auch die Angebote mit einem Preisschild zu versehen, sei keine Alternative, denn dann könnten sich viele diese nicht mehr leisten und sie verlören so an Wirksamkeit in der Fläche.
»Wir nehmen das Heft lieber selbst in die Hand, wie damals bei unserer Gründung«, so Reißig. Er vertraue auf die Kraft der Vielen: »Nur wenn wir es schaffen, noch mehr Menschen von uns zu begeistern und sie überzeugen, uns mit Spenden oder einer Fördermitgliedschaft zu unterstützen, können wir die Vielfalt und Anzahl unserer Angebote langfristig sicherstellen und auch erhöhen.« Damit Jugendliche auch in fünf Jahren noch lernen, sich erfolgreich gegen Hass im Netz zu wehren. Auch wenn noch wünschenswerter wäre, dass solche Schulungen überflüssig wären.
Mehr Informationen erhalten Sie hier:
www.aktion-zivilcourage.de
Petra Schweizer-Strobel, Katharina Martin
Aktion Zivilcourage e.V.