»Mut und Demut«
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Mut, Demut und Engagement
Als wir Mitglieder der »Bürgerinitiative für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche« am 12. Februar 1990 in der Pressekonferenz unseren Appell »Ruf aus Dresden – 13. Februar 1990« vortrugen, lagen zweieinhalb Monate engagierter Arbeit hinter uns. Alle brachten wir Hoffnung und festen Willen zum Wiederaufbau der Frauenkirche mit, aber auch langjährige Erfahrungen und Sachkenntnis.
Wir erinnern uns noch lebendig an die aufwühlenden Ereignisse des Herbstes 1989, der uns Mut gab, unser Anliegen anzufassen und in die Öffentlichkeit zu tragen. In unserer ersten Sitzung am 24. November 1989 stand die Ideenfindung für unser Vorgehen im Vordergrund. Intensiv dachten wir nach, wer konstruktiv und effektiv dazu beitragen könne, welche rechtlichen, strukturellen, organisatorischen und technischen Voraussetzungen gegeben waren oder erst geschaffen werden müssten.
Wir wollten, dass die Frauenkirche eine Kirche bleiben solle und wussten doch, dass die Landeskirche die Mittel für ihren Wiederaufbau nicht aufbringen konnte. Es gab intensiven Gedankenaustausch, sowohl zu dem im ersten Entwurf des Appells emotional formulierten Bekenntnis der deutschen Kriegsschuld als auch zur Bombardierung Dresdens, zur wiederaufgebauten Frauenkirche als Ort des Friedens und der Versöhnung und als »Weltkulturangelegenheit«. Als Sprecher gewannen wir Prof. Ludwig Güttler.
In unserer weiteren Arbeit erhielt der Appell die notwendigen Präzisierungen. Bis Mitte Dezember 1989 konnten wir wichtige, dem Appell anzufügende kirchen-, bau- und kunstgeschichtliche Argumente zusammentragen. Wir waren uns einig, dass die Frauenkirche am authentischen Ort in originaler Form unter Verwendung von Originalmaterial wiederaufgebaut werden kann. Die wissenschaft liche Begründung einer solchen archäologischen Rekonstruktion erfolgte bereits in den ersten Nachkriegsjahren durch sächsische Denkmalpfleger.
Die Architekten unter uns erarbeiteten eine Projektstudie mit Zeichnungen, Kostenschätzungen und wichtigen Überlegungen zur Nutzung des wiederaufgebauten Gotteshauses. Auch die verblassende Wirkung seiner Ruine im wiederaufzubauenden und dann nicht mehr leeren Neumarktgebiet stand uns vor Augen. Wir mussten fachlich begründet reagieren können, erwarteten wir doch in der Dresdner Stadtgesellschaft, der Kirche, der Architektenschaft und unter westdeutschen Denkmalpflegern Kontroverse Debatten und Ablehnung.
Im ersten Gespräch mit Landesbischof Dr. Johannes Hempel war Ende Dezember der Eindruck entstanden, dass die Ernsthaft igkeit des von uns formulierten Zieles eines vollständigen Wiederaufbaus der Frauenkirche und der damit verbundenen identitätsstiftenden Symbolwirkung nicht ohne Wirkung geblieben war. Es reiften unsere Erkenntnis und der Glaube, dass durch enge, geduldige Zusammenarbeit die Zustimmung der Landeskirche zum Wiederaufbau nicht mehr auszuschließen sei.
Nun waren Fragen zu Strukturen zu bearbeiten. Eine noch zu gründende Stift ung böte den grundlegenden rechtlichen Rahmen zur Bewältigung der außergewöhnlichen Aufgabe, für die wir auch weltweite Unterstützung erhofften. Schließlich legten wir den Appell und das zugehörige Material der Landeskirche vor. Er sollte dazu dienen, Menschen in Dresden und in der Ferne zur Unterstützung einzuladen. Mitte Januar 1990 übergaben wir ihn den Kulturattachés der britischen und der amerikanischen Botschaft zur Weiterleitung an die Königin und den Präsidenten.
Mit der Antwort des britischen Botschafters, der die wiederaufgebaute Frauenkirche als »Haus des Friedens« bezeichnete, und des amerikanischen, der im Wiederaufbau die Chance der Versöhnung mit den Menschen in Ostdeutschland sah, erhielten wir erste, von positiver Zuwendung geprägte internationale Reaktionen, die uns weiter Mut machten.
Der vor 35 Jahren öff entlich präsentierte Appell war für die Bürgerinitiative und die aus ihr hervorgegangene Fördergesellschaft eine wichtige Grundlage, auf der wir mit Mut, in Demut vor der Aufgabe und mit ungebrochenem Engagement an die Arbeit gingen und weltweit Unterstützung erbaten.
Heute erleben wir die Frauenkirche dankbar wie selbstverständlich als ein lebendiges Haus Gottes mit einer weltweit ausstrahlenden Friedensbotschaft, die jetzt auch gerade Ihrer Unterstützung bedarf.
DR.-ING. HANS-JOACHIM JÄGER
Geschäftsführer i.R., Ehrenmitglied der Gesellschaft
zur Förderung der Frauenkirche Dresden e.V.