»Wir haben die Wahl«

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Geistesgegenwart

Ein Blitzlicht auf Pfingsten

Pfingsten ist einerseits ein beliebtes Datum – weil es in den Frühsommer fällt, die vielleicht schönste Jahreszeit. Und weil es sich für viele mit Urlaub verbindet. Zugleich ist es als christliches Fest inhaltlich das schwierigste, weil am wenigsten fassbare. Alle Sinnlichkeit von Weihnachten und auch Ostern scheint diesem dritten Hochfest der Christenheit abzugehen.

Was feiern wir eigentlich an Pfingsten? Wie kann man den Heiligen Geist, die »Dritte Person« der göttlichen Dreifaltigkeit, feiern? Wie kann man ihn »erden«, für uns konkret, greifbar machen?

Als Theologe würde ich es zunächst einmal so sagen: Pfingsten, der Heilige Geist und dessen Wirkungen, das bedeutet schon eine Begeisterung, eine Ermutigung – aber nicht zum Übermut, sondern zur Nüchternheit. Wer sich von Gott be-geistern lässt, der wird nicht in einen religiösen Rausch versetzt, in dem er die Welt, wie sie ist, links liegen lässt. Sondern der wird nüchtern und wach. »Geistesgegenwärtig« eben, in dem Sinn, wie wir dieses Wort verwenden.

»Herr, lass uns wachen und nüchtern sein, und abtun, was uns träge macht«

heißt es in einem alten Gebet. Die Sprache des Heiligen Geistes ist also nicht schwärmerisch, sondern ganz einfach – biblisch. Gottes Geist erinnert an das, was Jesus gesagt hat, heißt es im Johannesevangelium, und er macht es immer wieder aktuell.

Ein für mich eindrückliches Beispiel für ein Reden, das mit der Realität des Heiligen Geistes rechnet, ist eine Begebenheit, die der Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker einmal berichtet hat. Mitte der 1950er Jahre traf er den berühmten Theologen Karl Barth. Damals wurde in der BRD erbittert über die Frage der atomaren Bewaffnung der gerade erst gegründeten Bundeswehr gestritten. Die Regierung Adenauer strebte das an, die Oppositionsparteien, auch viele in den Kirchen waren entschieden dagegen.

Weizsäcker stand damals an vorderster Front: als Physiker, der an der Entwicklung zur Kernspaltung beteiligt gewesen war, aber auch als Philosoph und Christ, dem dieses ethische Problem keine Ruhe ließ. Er berichtet: »Ich habe zu Karl Barth gesagt, ich sehe den geraden Weg von Galilei zur Atombombe und sei umgetrieben von der Frage, ob ich in diesem Wissen die von mir so geliebte Physik weiter betreiben dürfe. Barth antwortete: ›Herr von Weizsäcker, wenn Sie glauben, was alle Christen bekennen und fast keiner glaubt, dass Christus wiederkommt, dann dürfen, ja müssen Sie weiter Physik treiben. Sonst dürfen Sie es nicht.‹« Und Weizsäcker resümiert: »Ich traute Barths Antwort und habe die Physik nie aufgegeben.«

Da antwortet ein Christ, der berühmte Theologe, einem anderen Christen, dem berühmten Naturwissenschaftler, nicht hochphilosophisch, sondern schlicht biblisch. (So einfach, wie wir Pfarrer*innen es vielleicht gar nicht wagen würden.) Und das bewirkt in diesem etwas. Von Weizsäcker hat dann ja zu den Physikern gehört, die es ablehnten, ihr Wissen für den Bau atomarer Waffen zur Verfügung zu stellen.

Gottes Geist der Welt zugewandt

Wer daran glaubt, dass Gott diese Welt nicht sich selbst überlässt, sondern mit seinem Geist ihr zugewandt bleibt bis zu seinem endgültigen Kommen, wer also an eine heilvolle Zukunft der Schöpfung glaubt und nicht an eine katastrophale, der kann sein Wissen nicht in den Dienst ihrer Zerstörung stellen. Das ist Reden und Handeln in der Kraft des Geistes.

Pfingsten, das heißt: gerade auch in diesen dunklen Zeiten, wo viele wieder Angst vor dem Gebrauch von Atomwaffen haben, nicht aufhören, Gott darum zu bitten, dass sein Geist in dieser Welt aufrichtet, was darnieder liegt, mit neuem Leben erfüllt, was müde geworden ist. So wie ich es einmal in einem Gottesdienst in New York erlebt habe, wo sie beteten: »Spirit of living God, fall afresh on me« – Geist des lebendigen Gottes, komm auf mich herab: ganz neu, ganz erfrischend!

PFARRER MARKUS ENGELHARDT
ist seit 2021 Pfarrer der Frauenkirche Dresden und
Geschäftsführer der Stiftung Frauenkirche Dresden.