»Wir haben die Wahl«
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Literarische Orgelnächte 2024
Frost – Fieber – Fest
Jedes Jahr läuten die Literarischen Orgelnächte in der durch Kerzenschein stimmungsvoll illuminierten Frauenkirche den Sommer ein.
An drei Abenden im Juni erklingen Orgelimprovisationen zusammen mit ausgewählten literarischen Texten verschiedenster Epochen und Gattungen, vorgetragen von Ensemblemitgliedern des Staatsschauspiels Dresden.
Ein Dreiklang als Motto
Auch in diesem Jahr steht mit »Frost – Fieber – Fest« ein Dreiklang als Motto über den Veranstaltungen. Heftige Schneefälle und klirrende Kälte sind nicht erst seit den vom Klimawandel verursachten extremen Wetterphänomenen der jüngsten Zeit beliebte literarische Topoi: Über die Jahrzehnte hinweg haben sich namhafte Autor*innen wie Thomas Mann oder Franz Kafka an der Darstellung alles anderer als wohltemperierter Ereignisse und der mit ihnen verbundenen intensiven körperlichen Erfahrungen versucht. Sei es Hans Castorp im berühmten Schneekapitel des »Zauberbergs« oder der Landvermesser K. in »Das Schloss«: Sie alle irren durch frostige Szenerien, lassen sich vom weichen Weiß einlullen und geraten dabei sowohl an existentielle als auch an psychische Grenzen.
Auch im Fieber werden mitunter Ausnahmezustände durchlaufen: eine Einsicht, die nicht nur Max Frischs Walter Faber in der Tropenhölle Mittelamerikas ereilt, sondern womöglich auch einige Dresdner*innen während der Covid-Pandemie. Wie die Kälte kann das Fieber bewusstseinserweiternde Momente zwischen Wachtraum und Halluzination evozieren, die Wahrnehmung der Delirierenden jedoch auch milde dämpfen und von äußeren Reizen abschirmen. Wiederum im »Zauberberg« beschreibt Thomas Mann die Krankheit aufgrund ihrer rauschhaften Komponente als »Fest des Körpers«.
Ebensolches ekstatisches Potential wird im letzten Begriff des diesjährigen Dreiklangs evident. Auch der Topos des Fests verlockte zahlreiche Schriftsteller*innen, menschliches Empfinden in der Begegnung mit Extremen zu erkunden und diesem nachzuspüren. Die Konfrontation mit dem Maßlosen, dem Rausch, impliziert dabei auch immer die Möglichkeit, körperliche und literarische Grenzen auszuloten und Transgressionen zu vollziehen.
TERMINE
FR · 14. Juni 2024 · 21:30 Uhr
FR · 21. Juni 2024 · 21:30 Uhr
FR · 28. Juni 2024 · 21:30 Uhr
Lea Aupperle
seit 2023 Dramaturgieassistentin am Staatsschauspiel Dresden.