»Wir haben die Wahl«

»Nacht der Stimmen«

Erinnerungskultur als Demokratiearbeit

Am 13. Februar 2024 fand in der Frauenkirche die Nacht der Stimmen unter dem Motto »Wir haben die Wahl« statt.

Eingebettet in die Installation von acht Bannern an den Pfeilern der Frauenkirche, die Begriffe abbildeten, die sinnbildlich als Grundpfeiler unserer Demokratie gelten, kamen Stimmen aus der Dresdner Bürgerschaft zu Wort, die über Ihre Arbeit und den Beitrag zu einem gelingendem demokratischen Miteinander sprachen.

Erinnern für die Zukunft

Immer wieder haben wir diesen Anspruch an unsere Formate der Erinnerungskultur formuliert. Nur, wenn das Erinnern dazu führt, dass wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und einen Beitrag zu einer friedlichen Zukunft leisten, hat es seine Berechtigung. Ansonsten läuft es Gefahr, keine Verantwortung für das Hier und Jetzt zu übernehmen und verkommt zum reinen Selbstzweck. Aus diesem Grund legte die Nacht der Stimmen in diesem Jahr einen Fokus auf aktuelle Herausforderungen, ja war »politischer«, denn die Feinde der Demokratie sind zahlreich und die Stimmen der Verfechter*innen oft zu leise.

»Es ist vielleicht die wichtigste Lehre aus dem Elend unserer Geschichte des letzten Jahrhunderts, dass die erste deutsche Demokratie nicht gescheitert ist, weil die rechten und linken Feinde der Republik zu viele waren – sondern weil die Demokrat*innen zu wenige waren.« So formulierte Frauenkirchenpfarrer Markus Engelhardt in seiner Begrüßung zur Nacht der Stimmen den Anspruch an uns alle, nicht zu verharren, sondern aktiv einzustehen für die »Grundwerte der offenen, demokratischen Gesellschaft, die allen Demokrat*innen, und seien ansonsten die Meinungsunterschiede zwischen ihnen noch so groß, gemeinsam und nicht verhandelbar sind.«

In beeindruckender Weise schilderten im Laufe des Abends sechs Bürger*innen ihr Verständnis von Demokratie, gaben Einblicke in ihr Wertefundament und zeigten auf eindrucksvolle Weise, wo und wie sich jede*r einbringen kann, im Großen wie im Kleinen, um Miteinander Zukunft zu gestalten. Das hat Mut gemacht und gezeigt, dass eine gegenwartsorientierte Erinnerungskultur an diesem Tag möglich ist. Dass wir alle, gerade hier in der wiederaufgebauten Frauenkirche, einen Auftrag aus der Geschichte haben. Nie wieder ist jetzt!

Ein Banner – eine Botschaft

An der Fassade der Frauenkirche über dem Eingang C verwies ein großflächiges Banner im Wahljahr 2024 auf unser demokratisches Grundverständnis und die damit verbundenen Werte. Ohne sie, aber noch wichtiger ohne die Menschen, die diese Werte leben und verteidigen, hat unsere Demokratie keine Zukunft. Es ist an jeder und jedem von uns, für diese Werte einzutreten. Wir haben die Wahl, wie unsere Gesellschaft und unser Miteinander aussehen.

Gestalteter Innenraum

Vom 11. Februar bis zum 3. März 2024 war der Hauptkirchraum thematisch gestaltet. Die acht Pfeiler, die die 12.000 Tonnen schwere Sandsteinkuppel der Frauenkirche Dresden tragen, wurden zu »Pfeilern der Demokratie«: Freie Wahlen - Rechtsstaatlichkeit - Zivilcourage - Streitkultur - Pluralismus - Meinungsfreiheit - Verantwortliches Wirtschaften - Partizipation stand da zu lesen. Den Pfeilern beigestellt fanden sich Statements von Vertreter*innen der Stadtgesellschaft. Sie erklärten, wie und warum sie sich für das Gemeinwohl einsetzen.

»Die Würde des Menschen ist unantastbar«

Dieser erste Satz des Grundgesetzes bestimmt den Geist unserer Verfassung. Er ist unmittelbarer Ausdruck unseres jüdisch-christlichen Menschenbildes. Es ist schockierend, dass das Bekenntnis zu einer offenen und demokratischen Gesellschaft derzeit infrage gestellt, ja aktiv bedroht wird. Die Werte, auf denen unsere Verfassung seit 75 Jahre ruht, werden wie nie zuvor im wiedervereinten Deutschland gezielt verunglimpft und geschmäht. Als Stiftung Frauenkirche Dresden tragen wir eine Bürgerkirche, die Menschen aller Nationalitäten, Kulturen und Religionen offen steht. Die Grundwerte, die von rechtsextremer Seite immer offener angefochten werden, sind für uns nicht verhandelbar. Die unantastbare Würde des Menschen ist für uns ein unumstößliches Fundament.

Wir rufen daher alle, denen Demokratie, Respekt, Vielfalt und Gleichberechtigung wichtig sind, auf, aktiv und beherzt diese Grundwerte zu verteidigen: Zeigen wir Haltung! Engagieren wir uns! Treten wir bei den Wahlen 2024 ein für einen offenen Freistaat Sachsen, ein demokratisches Deutschland und ein vereintes Europa!

Denn: Wir haben die Wahl!

Andreas Dieterich
Referent für Friedens- und Versöhnungsarbeit
an der Stiftung Frauenkirche Dresden