»Familie«

Der Vorletzte Sonntag im Kirchenjahr – Volkstrauertag

Die Sonn- und Feiertage im Kirchenjahr 

Der Vorletzte Sonntag im Kirchenjahr gehört eher zu den unscheinbaren Kalenderdaten. Die Menschen freuen sich in der zweiten Novemberhälfte meistens schon auf die Lichter des Advents, mit dessen erstem Sonntag das neue Kirchenjahr startet. Nach dem Reformationsfest atmet sozusagen das Kirchenjahr aus; die Feiertage Allerheiligen und Allerseelen (1. und 2. November) sowie die drei darauffolgenden Sonntage – Drittletzter, Vorletzter und Letzter Sonntag (=Ewigkeits- oder Totensonntag) im Kirchenjahr – befassen sich inhaltlich mit dem Ende aller Zeiten und der Wiederkunft Christi als Weltenrichter. Folglich rückt die Friedens- und Versöhnungsthematik in den Vordergrund. Diese Fokussierung findet ihren besonderen Ausdruck in der Ökumenischen Friedensdekade, die am Buß- und Bettag endet, also am Mittwoch nach dem Vorletzten Sonnt. d. Kirchenjahres.

Die Thematik der Kirchenjahres-»Endzeit« lässt sich am besten vom Evangelium des Vorletzten Sonntags her erschließen: Im Gleichnis vom Weltgericht (Matthäus 25,31-46) wird uns Christenmenschen vor Augen geführt, welche Konsequenzen all unser Tun und Lassen mit Blick auf unseren Nächsten bei Gott haben wird: »Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Geschwistern, das habt ihr mir getan«, spricht Christus. Die Bibel erzählt vom Gericht Gottes am Jüngsten Tag. Diese Botschaft bleibt hochaktuell – nicht nur wegen der Opfer, denen zu Lebzeiten kein Recht widerfuhr. Wer vor Gottes Gericht kommt, wird neu ausgerichtet auf den Weg der Barmherzigkeit und der Liebe. Uns erwartet kein gnadenloser, sondern ein barmherziger Richter, der nicht nach menschlichen Maßstäben urteilt.

Um uns vor Fehlern zu bewahren und um Gemeinschaft gelingen zu lassen, sollen wir auf gegenseitige Verurteilungen verzichten. Christus ist die einzige richterliche Instanz, so unterstreicht die Epistel des Vorletzten Sonntags Römer 14,1-13. Seit 1952 wird am Vorletzten Sonntag des Kirchenjahres auch der Volkstrauertag begangen. Dieser staatliche Gedenktag wurde bereits 1919 als Gedenktag infolge des 1. Weltkriegs eingeführt. Zunächst hatte er wechselnde Termine. Auch sein Name änderte sich temporär: Während der NS-Zeit nannte man ihn »Heldengedenktag« und funktionalisierte ihn im Sinne nationalsozialistischer Propaganda und Kriegsverherrlichung. Aus theologischer Sicht ist der Gedenktag sinnvoll in eine Zeit des Kirchenjahres eingebettet, die durch die Themen Schuld, Tod, Ewigkeit, Hoffnung und die Mahnung zu Frieden und Versöhnung dominiert wird.

Pfarrerin ANGELIKA BEHNKE
Frauenkirchenpfarrerin