»Einsamkeit«
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Ein Chorist der ersten Stunde
Christoph Münch singt von Beginn an im Kammerchor der Frauenkirche. Er blickt zurück auf 20 klangverfüllte Jahre.
Als ich mich für den Kammerchor der Frauenkirche bewarb, war ich Chorsänger an der katholischen Hofkirche. Durch meine Arbeit aber auch aufgrund meines Interesses an Dresdens Geschichte und Entwicklung habe ich den Bau der Frauenkirche seit der Grundsteinlegung 1994 verfolgt.
Mehrfach durfte ich die Baustelle besichtigen – mehrmals mit Prof. Güttler und eimal sogar mit dem legendären Denkmalpfleger Hans Nadler. Und so war es für mich ein Bedürfnis zu den »klingenden Steinen« zu gehören, die der Frauenkirche wieder ein musikalisches Leben einhauchen.
Noch bevor die Frauenkirche überhaupt geweiht wurde, unternahmen wir eine Konzertreise in unsere Partnerstadt Strasbourg. Hier liegt der Sohn Augusts des Starken, Moritz von Sachsen begraben, hier wirkte der Bruder des Erbauers der ersten Orgel der Frauenkirche Andreas Silbermann, und hier entstand im Atelier Kern die neue Orgel.
Am Freitag, 7. Oktober 2005 ging es los. Am nächsten Tag wurden wir von der damaligen Oberbürgermeisterin Fabienne Keller empfangen, erkundeten die Stadt und gaben ein Konzert in der evangelischen Kirche St. Guillaume. Am kommenden Tag, durften wir im Straßburger Münster die katholische Sonntagsmesse musikalisch ausgestalten.
Auf dem Rückweg gaben wir ein Konzert in meiner alten Heimat Lorsch, dessen karolingische Klosterreste zum UNESCO Welterbe zählen. Die damals von meiner Mutter geleitete Schola St. Nazarius empfing uns mit großer Gastfreundschaft.
Über die Weihe selbst ist viel geschrieben worden. Nur soviel: für mich war sie bis heute eines der bedeutendsten Ereignisse, seit ich im Dezember 1993 nach Dresden gezogen bin. Ich fühlte mich nun wirklich angekommen – und als Teil der Dresdner Stadtkultur und Geschichte.
Unsere erste Konzertreise nach der Weihe der Frauenkirche führte uns rund ein Vierteljahr später nach Japan. Vorausgegangen waren umfangreiche Planungen und vor Allem Suche nach Förderern und Sponsoren. Am Ende konnten die Wirtschaftsförderung Sachsen und die Dresden Werbung und Tourismus GmbH (Vorgängerorganisation der Dresden Marketing GmbH) gewonnen werden, uns als Botschafter für Dresden sowohl finanziell, als auch mit zahlreichen weiteren Kontakten vor Ort zu unterstützen.
Am 18. März flogen 23 Sängerinnen und Sänger mit unserem Chorleiter Matthias Grünert nach Nagoya, das uns mit Regenwetter erwartete. Im nahegelegenen Seto probten wir mit dem dortigen Messiah Choir »Ein deutsches Requiem« von Brahms, das wir am 23. März zum Abschluss des Deutschlandjahres gemeinsam aufführten.
In der Zwischenzeit lernten wir Sehenswürdigkeiten, japanische Lebensart und vor allem das japanische Essen kennen, das vor 20 Jahren für die meisten noch exotisch anmutete und noch nicht seinen Siegeszug in alle Winkel der Welt angetreten hatte.
Nächste Etappe war die alte Kaiserstadt Kyoto mit ihren Tempeln und Gärten, bevor wir nach Tokyo weiterreisten. Hier gaben wir zunächst ein Privatkonzert vor Kunden des Reiseveranstalters Global Youth, der uns im Gegenzug einen großen Teil der touristischen Arrangements sponserte und hatten danach in der katholischen St. Ignatius-Kirche im Stadtteil Chiyoda unseren ersten A-Capella-Konzertabend.
Ein Gemeindemitglied war besonders gerührt, spielte doch seine Tochter in einem Dresdner Orchester. An den folgenden Abenden konzertierten wir gemeinsam mit dem Tokyoter Schütz Chor: in der eindrucksvollen modernen St. Marys Cathedral im Stadtteil Bunkyo und der evangelischen Kirche im Stadtteil Suginami.
Dazu kam noch die Beteiligung bei einer Dresden-Präsentation vor Journalisten und Reiseveranstaltern. Wir hatten aber auch Zeit und Gelegenheit, Japan intensiver kennenzulernen: die Sehenswürdigkeiten von Tokyo, die Tempelstadt Kamakura und vor allem die japanische Gastfreundschaft in Form von vielen Begegnungen und anregenden Gesprächen.
Immer wieder durften auch wir unsere Geschichte erzählen, vom Wiederaufbau der Frauenkirche als Symbol von Frieden und Versöhnung, von unserem Wunsch, diesen Ort mit qualitätsvollen und berührenden Klängen zu füllen. Dankbar für all die vielfältigen und unvergesslichen Eindrücke reisten wir am 27. März zurück nach Dresden.
Was mich persönlich im Nachhinein besonders freute: einige der japanischen Kontakte durften wir dann im Laufe der Jahre in Dresden und der Frauenkirche begrüßen und ein Stück der erhaltenen Gastfreundschaft zurückgeben.
CHRISTOPH MÜNCH
ehrenamtlicher Chorsänger und hauptberuflich
Tourismusmarketingmanager bei der
Dresden Marketing Gesellschaft (DMG)