»20 Jahre Frauenkirche Dresden«
MAGAZIN »Leben in der Frauenkirche« > HEFT 3/2025 > INHALT > Ein Interview mit Eberhard Burger
Rückblickend
Ein Interview mit Eberhard Burger
WELCHE BEDEUTUNG HAT AUS IHRER SICHT DER WIEDERAUFBAU DER FRAUENKIRCHE FÜR DIE HEUTE 20-JÄHRIGEN?
Der Wiederaufbau der Frauenkirche hat für die heute 20-jährigen sicher eine für uns ganz andere Bedeutung als noch vor vielen, vielen Jahren. Die wird sich auch immer wandeln. Aber die Entwicklung, die jetzt im Allgemeinen vor sich geht, dass sich viele Menschen von der Kirche als Institution abwenden und viel mehr Menschen, auch als nicht Kirchenmitglieder, doch eine gewisse Sehnsucht danach haben, in ihr etwas zur Ruhe zu kommen, etwas zu finden, was sie vielleicht aufbaut, was ihnen fehlt in dieser Welt, die jetzt zu schwierig geworden ist.
Ich glaube, dass dafür die Frauenkirche etwas ganz Wichtiges ist, dass man hineingehen kann. Das habe ich auch beobachtet, dass junge Leute in die Kirche kommen und sich ruhig in eine Kirchenbank setzen und einfach den Raum auf sich wirken lassen. Und ich habe noch die Hoffnung, dass sie damit auch friedlicher werden, dass sie dafür eintreten, dass man miteinander spricht und nicht miteinander Kriege führt und dass die Frauenkirche eben in unserer heutigen Welt für alle Menschen, aber insbesondere für die 20-jährigen, die ja unsere Zukunft gestalten müssen, etwas bringen, das sich positiv auf die weitere Entwicklung auswirkt.
WAS IST IHRE EINDRÜCKLICHSTE MENSCHLICHE BEGEGNUNG IN DER FRAUENKIRCHE NACH DEREN WEIHE?
Die menschlichen Begegnungen in der Frauenkirche nach der Weihe sind sehr umfangreich. Wenn ich nach der eindrücklichsten menschlichen Begegnung gefragt werde, dann ist das ein wenig schwierig, da etwas herauszuheben. Ich würde dann doch zwei Begegnungen erwähnen.
Das Wichtige für mich, nach der Weihe, war die menschliche Begegnung mit den Menschen, die begeistert und sehr beeindruckt waren vom Besuch der Frauenkirche und sich meistens bedankt haben, nicht nur erfreut waren, sondern sie haben sich bedankt für alle die, die am Bau beteiligt waren, für die Bauarbeiter, für die Ingenieure, für die Architekten, für die Handwerker, die zu diesem wunderbaren Ergebnis beigetragen haben oder es überhaupt erst möglich gemacht haben.
Und deswegen ist es schwierig, einzelne herauszugreifen. Aber es gibt natürlich auch Begegnungen mit Menschen, die sehr bedeutend sind, die sehr viel Verantwortung auch für unsere Welt heute haben und da möchte ich zwei Begegnungen erwähnen. Die eine Begegnung war mit Präsident Obama in der Frauenkirche. Er war sehr beeindruckt von dem Inneren der Frauenkirche und er hat sich dann nach der Führung von uns verabschiedet.
Es waren natürlich hochrangige Partner, die mit vorne standen, von denen er sich verabschiedet hat: u.a. Kanzlerin Merkel, Ministerpräsident Tillich, der Landesbischof und ich war der letzte, dem er die Hand gab und da habe ich zu ihm gesagt »Viel Kraft und Gottes Segen« und er ging dann zum Ausgang.
Da geht es ein paar Treppen hoch zur Ausgangstür und auf der ersten Stufe drehte er sich um zu mir und sagte »Gottes Segen«. Bevor er aus der Tür rausging, drehte er sich noch einmal um und sagte noch einmal »Gottes Segen!«.
Das hat mich sehr beeindruckt. Und eine zweite Geschichte, die allerdings nun eine sehr negative Wendung genommen hat, ist meine Begegnung mit Putin, der anlässlich der Petersburger Gespräche, ich glaube das war 2006, in Dresden gewesen ist. Es war am Vorabend eine Veranstaltung von den Petersburger Gesprächen in der Frauenkirche, die mir gar nicht gefallen hat, an der Putin auch nicht teilgenommen hat.
Er hat mit Frau Merkel in einem der Schlösser verhandelt. Ich habe mir dann gesagt »Das machst du nicht wieder, an solche Institutionen die Kirche zu vermieten« und bin am nächsten Tag in den
Kirchraum gegangen (9:15 Uhr) und habe mich hingesetzt und wollte meine Kirche wieder in Besitz nehmen. Und gegen 9:30 Uhr kommt der Aufsicht habende Dienstmann ganz aufgeregt zu mir
und sagt: »Der Herr Putin steht vor der Tür« und ich sagte »Ja, ich komme.«
Ich bin rausgegangen zum Haupteingang und da stand Herr Putin unten an der Treppe und sagte zu mir »Herr Burger, darf ich reinkommen?« Er spricht ja perfekt deutsch, er hatte damals in Deutschland eine Tätigkeit ausgeübt. Er kannte mich von vorherigen Staatsbesuchen und dann habe ich eine halbe Stunde mit ihm ganz alleine im Kirchraum verbracht und habe ihm alles erklärt, habe ihm von dem Wiederaufbau erzählt und von der Unterstützung, die wir erhalten haben.
Und natürlich sind wir auch auf die Ikonografie und die Ausgestaltung der Frauenkirche gekommen und ich war erstaunt, dass er sich in der Theologie, den christlichen Darstellungen sehr gut auskannte und dass man ihm das nicht erklären musste, was was ist, sondern dass er das einfach wusste. Das hat mich eigentlich sehr glücklich gemacht. Und ich hatte auch einen sehr, sehr positiven Eindruck, einen sehr menschlichen Eindruck von ihm.
Wenn ich ihn heute im Fernsehen sehe, dann muss ich sagen, er hat sich auch im Aussehen sehr verändert und seine Haltung ist eine total andere, gegensätzlich zu der, die ich damals wahrgenommen habe. Und ich hoffe nur, dass er doch vielleicht zu mehr Menschlichkeit zurückfindet. Im Moment ist das ja so, dass er die orthodoxe Kirche in seine Politik mit einspannt. Es ist eine Hoffnung, die wir sicherlich alle haben, dass sich seine Einstellung wieder normalisiert.
WÜRDEN SIE IHR BERUFLICHES LEBEN NOCH EINMAL AUF EINE SO GROSSE, UNGEWISSE AUFGABE AUSRICHTEN?
Ob ich mein berufliches Leben noch einmal auf eine so große und auch ungewisse Aufgabe ausrichten würde, das ist jetzt schwierig zu beantworten. Es ist eine Aufgabe gewesen, die nicht nur fachliches Wissen voraussetzte, sondern die vor allen Dingen Koordinierungsfähigkeit und das menschliche Miteinander als oberstes Gebot stehen hatte. Es war wirklich eine große und viel Kraft kostende Aufgabe, die ich da übernommen hatte. Aber ich habe nach Beginn schon, nach einem Jahr ungefähr gemerkt, dass eine Verteilung von vielen Aufgaben gar nicht so einfach ist.
Vor allen Dingen am Anfang, bevor alles ins Laufen kam. Das war wohl auch die schwierigste Zeit. Fachlich nicht, aber von der Koordination her und alle auszurichten auf diesen Wiederaufbau und dann auch Wege zu finden, wie man diese Gemeinsamkeit miteinander leben kann, das man eben nicht nur arbeitet, sondern das man auch zusammen feiert und das man miteinander redet und aufeinander eingeht und so eine Einheit schafft, die ein Ziel hat, diesen Wiederaufbau zu einem guten Ende zu bringen. Und das fachliche Wissen eben auch einzusetzen und seine ganze Kraft für den Wiederaufbau zu geben.
Ich habe oft erlebt, dass viele über ihre eigentliche Aufgabe hinaus Dinge geregelt und übernommen haben, um das Ziel, den Wiederaufbau zu vollenden, zu erreichen. Es war wirklich eine Aufgabe, die zwar viel Kraft gekostet hat, aber für die ich glücklich und dankbar sein kann, dass mir die Verantwortung dafür übertragen worden ist und ich glaube so eine Aufgabe kriegt man nur einmal in seinem Leben und das reicht auch.
WAS WÜRDEN SIE HEUTE ANDERS ENTSCHEIDEN, WENN SIE AN DIE FRAUENKIRCHE DENKEN?
Ich glaube, dass wir beim Wiederaufbau nach bestem Wissen und Gewissen alles entschieden haben und dass wir keine großen Fehler gemacht haben, dass wir die Unzulänglichkeiten, die der Vorgängerbau auf jeden Fall hatte, da es damals die technischen Möglichkeiten und Erkenntnisse noch gar nicht gegeben hat, dass wir da vieles verbessert haben. Wir haben vieles verändert und heute wissen wir sehr viel mehr über Schäden, die entstanden sind in der Vergangenheit. Ich hatte ein gutes Team, wunderbare, sehr fachkundige Mitarbeiter. Und ich glaube, wir haben sehr, sehr viel, fast alles richtig gemacht.
Es war mir immer wichtig, dass die kirchliche Nutzung im Vordergrund steht, dass es die Andachten und die Gottesdienste gibt, dass es die kirchlichen Konzerte und die Chorkonzerte gibt und dass die Kirchenmusik dort drin zum Erklingen kommt und dass auch das Weltliche, das die menschlichen Beziehungen untereinander verbessert, gestattet. Aber im Vordergrund steht, wie gesagt, die kirchliche Nutzung, in der Unterkirche und im Hauptraum.
Wenn ich mir heute ansehe, was dort drin alles passiert und wer alles dazu eine Meinung äußert und wie die Frauenkirche heute von vielen benutzt wird, dann bin ich manchmal ein wenig traurig, aber ich kann auch nicht beurteilen, ob das notwendig ist. Es werden jetzt auch Kirchen weltlich genutzt, weil sie sonst nicht mehr erhalten werden können und die Erhaltung dort im Vordergrund steht. Deswegen möchte ich kein Urteil dazu abgeben. Aber ein wenig traurig darf ich schon sein.
WAS MACHT SIE GLÜCKLICH, WENN SIE AUF DAS HEUTIGE LEBEN IN DER FRAUENKIRCHE SCHAUEN?
Was mich heute noch glücklich macht, wenn ich mir das Leben in der Frauenkirche anschaue, dann ist es, dass der Zustrom der Menschen nicht weniger geworden ist, eher noch mehr als früher. Auch wenn nicht alle davon einer Kirche angehören oder Christen sind, sondern dass die Menschen einfach eine Sehnsucht haben nach Geborgenheit, nach Sicherheit, nach Zufriedenheit und eben auch nach Frieden und Glückseligkeit.
Und dass die Frauenkirche dazu als Gebäude und in seiner Innenraumgestaltung eine wesentliche Grundlage ist, das macht mich glücklich. Wenn ich an den letzten 23. Dezember denke, die weihnachtliche Vesper vor der Frauenkirche und mir die Fernsehübertragung in Erinnerung rufe, dann war ich ganz beglückt darüber, wie die Menschen mitgesungen haben, wie sie teilweise die Texte gekonnt haben.
Das hat mir gezeigt, dass nicht nur Touristen aus gewisser Neugier oder wegen des Bekanntheitsgrades der Frauenkirche an ihrem Leben teilnehmen, sondern dass es auch Menschen sind, die noch eine christliche Grundstimmung oder Grundauffassung haben und auch, hoffe ich noch an Gott glauben und somit zu einem friedlichen Miteinander der Menschen heute beitragen. Das war wirklich ein sehr glückliches Erlebnis, diese Fernsehübertragung der Weihnachtsvesper.
→ Das Gespräch führte Thomas Gottschlich, leitender Architekt
EBERHARD BURGER
Baudirektor für den Wiederaufbau der Frauenkirche Dresden
THOMAS GOTTSCHLICH
Leitender Architekt