»20 Jahre Frauenkirche Dresden«

MAGAZIN »Leben in der Frauenkirche« > HEFT 3/2025 > INHALT > Ein Interview mit Prof. Ludwig Güttler

Rückblickend: INTERVIEW MIT PROF. LUDWIG GÜTTLER

Foto: Jörg Schöner

WELCHE BEDEUTUNG HAT AUS IHRER SICHT DER WIEDERAUFBAU DER FRAUENKIRCHE FÜR DIE HEUTE 20-JÄHRIGEN?

Der Wiederaufbau der Frauenkirche, der von vielen als weder nötig noch möglich betrachtet wurde und an dem ich das Glück hatte teilzunehmen, mit vielen anderen Gleichgesinnten, ist ein unglaublich Mut schaffendes Beispiel dafür, dass man auch in einer scheinbar ausweglosen Situation oder bei schwierigen Voraussetzungen erfolgreich sein kann. Das betrifft jetzt jeden einzelnen von uns, damals wie heute.

Das Entscheidende sind der Glaube und das Vermögen, das Dranbleiben, Durchsetzen und Wollen. Egal wie die Enttäuschungen aussehen. Und in diesem Zusammenhang strahlt die Frauenkirche, die wiederaufgebaute inzwischen, auch dieses aus. Dieses Mutmachende, dieses trotzdem Wollen, Versuchende und Könnende. Und ich bin glücklich, das darf ich persönlich sagen, dass ich an dieser Aufgabe teilnehmen konnte und durfte.

Im Rückblick erscheint mir meine Tätigkeit als Musiker und mein aufgebautes Konzert- und Veranstaltungswesen zum Zeitpunkt des Beginns des Wiederaufbaus als eine der glücklichsten Fügungen überhaupt. Denn ich konnte alles, was ich bisher mit dem Ziel gemacht hatte, erfolgreich Konzerte zu veranstalten, in den Dienst des Wiederaufbaus der Frauenkirche stellen.

Kein Konzert war möglich, ohne dass es nicht auf die Frauenkirche hinzielte. Und auch im Ergebnis die dringend benötigten Mittel für den Wiederaufbau der Frauenkirche ermöglichte.

WAS IST IHRE EINDRÜCKLICHSTE MENSCHLICHE BEGEGNUNG IN DER FRAUENKIRCHE NACH DEREN WEIHE?

Ich hatte eine Fülle von mich beeindruckenden, ja erfüllenden Begegnungen beim Wiederaufbau der Frauenkirche, nicht nur mit Menschen, die für den Frauenkirchen-Wiederaufbau gewonnen werden mussten, sondern auch mit solchen, die sich uns überhaupt genähert haben: mit Fragen und mit eigenen Überzeugungen.

Das waren Begegnungen, die mich beseelt haben, die mir Mut gemacht haben. Deshalb kann ich eigentlich nicht eine einzelne Begegnung herausnehmen. Die Fülle von glücklichen Begegnungen: darunter war die mit dem damaligen Landesbischof Johannes Hempel, der mir freundschaftlich verbunden war seit der Studentengemeinde in Leipzig, wo er Studentenpfarrer war, oder die mit seinem Nachfolger Volker Kress, der mir verbunden war durch sein Cellospiel im Collegium Musicum, in dem wir zusammen musiziert hatten.

Wir sind uns dann wieder begegnet. Es erweckt den Eindruck, als wären diese persönlichen Verhältnisse extra gestaltet worden, um für den Wiederaufbau der Frauenkirche fruchtbar zu werden.

WÜRDEN SIE IHR BERUFLICHES LEBEN NOCH EINMAL AUF EINE SO GROSSE UND JA AUCH UNGEWISSE AUFGABE AUSRICHTEN?

Das weiß ich nicht, aber meine Überzeugung war und ist, dass mein Engagement für den Wiederaufbau der Frauenkirche nichts Besonderes war, sondern eine Selbstverständlichkeit. Eine Selbstverständlichkeit, die auf der bitteren Erfahrung der Zerstörung der Paulinerkirche in Leipzig fußte, in der ich ja viel musiziert habe. Das ist mit wenigen Worten gar nicht zu sagen.

Aber meine Haltung ist eindeutig, dass das damals selbstverständlich war und niemand nötig war, um mich dazu überreden zu müssen. Das hat auch viele Gründe und hat u. a. mit meiner Herkunft zu tun. Und es wäre wahrscheinlich heute auch noch so, wenn es so was wieder gäbe. Ich hoffe, die politischen Gegebenheiten und die Umstände würden ähnliches gestatten. Vielleicht wäre manches schwieriger. Aber meine Haltung hat sich dazu nicht geändert.

WAS WÜRDEN SIE HEUTE ANDERS ENTSCHEIDEN. WENN SIE AN DIE FRAUENKIRCHE DENKEN?

Das erste Mal in meinem Leben, dass mir auf eine Frage partout nichts einfällt. Ich hätte nichts anders gemacht.

WAS MACHT SIE GLÜCKLICH, WENN SIE AUF DAS HEUTIGE LEBEN IN DER FRAUENKIRCHE SCHAUEN?

Das Wort glücklich sagt zu wenig aus. Es ist emotional zu wenig bewegend, wenn ich auf das Leben in der wiederaufgebauten Frauenkirche schaue. Wie viele Menschen von dem Geist des Wiederaufgebauten und des Gelungenen durchdrungen sind  und das auch nach außen ausstrahlen. Es macht mich in einer Weise froh, dass ich gar nicht weiß, welche Formulierung ich noch finden müsste und möchte.

Die Ausstrahlung der Frauenkirche, die Bindung an auch ganz ferne Kulturkreise, was sie ausmacht und wie dadurch all das, was ich vorhin gerade gesagt habe - die Entwicklung des Wiederaufbaus, das Gelingen des Wiederaufbaus, das Voranbringen des Wiederaufbaus, dieses schrittweise aufeinander und aneinander Fügen der einzelnen Schritte – fortgeschrieben wird, das macht mich sprachlos.

Auch im musikalischen Leben in der Frauenkirche hat sich viel positiv entwickelt. Ich persönlich hätte den Wunsch, dass ich zum Ende meiner bisherigen künstlerischen Tätigkeit nicht 80 Jahre geworden wäre, sondern vielleicht erst 70 gewesen wäre, so dass ich noch weitere 10, 15 oder gar 20 Jahre, da bin ich mal ganz unbescheiden, hätte wirken können.

Dieses Wirken mithilfe der Musik, dieses Hereinholen der interessierten Zuhörer für den Wiederaufbau, das, was sich in verschiedenster Form, auch durch mich nicht mehr beeinflusst, entwickeln konnte, ist sehr schön. Ich bin dankbar, dass es so geschehen konnte wie es geschehen ist.

 

→ Das Gespräch führte Maria Noth, Geschäftsführerin der Stiftung Frauenkirche Dresden

PROF. LUDWIG GÜTTLER
Trompeter und Dirigent im Ruhestand

MARIA NOTH
Geschäftsführerin Stiftung Frauenkirche Dresden