»Mut und Demut«

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Tradition und Innovation – Das Orgeljahr 2026 an der Dresdner Frauenkirche

2026 trägt das Orgeljahr an der Frauenkirche Dresden erstmals meine künstlerische Handschrift – mit Respekt vor der Tradition und dem Mut, neue Wege zu gehen. Die große Kern-Orgel mit ihren 4.876 Pfeifen bleibt Zentrum klanglicher Vielfalt, getragen vom etablierten »Dresdner Orgelzyklus« mit renommierten Gästen aus dem In- und Ausland.

Auch Formate wie die beliebten »Orgelnächte bei Kerzenschein« in der Adventszeit bleiben fester Bestandteil unseres Jahresprogramms. Ein neuer Schwerpunkt liegt auf der Kunst der Orgelimprovisation. Mit der Reihe »Orgel – Musik aus dem Augenblick« rücken wir drei Konzerte in den Fokus, die die kreative Kraft der Improvisation in ganz unterschiedlichem Licht zeigen.

1. KLANG TRIFFT BILD
Ein französischer Künstler wird während des Konzerts live farbenreiche Zeichnungen anfertigen, die auf eine Leinwand übertragen werden. Gleichzeitig erklingen improvisierte Orgelklänge – inspiriert von den Bildern, und umgekehrt. Eine poetische Begegnung von Kunstformen, die sich gegenseitig inspirieren und beflügeln.

2. IMPROVISATION NACH WUNSCH
Erstmals können Zuhörer*innen die Themen eines Konzerts mitgestalten. Bis zehn Minuten vor Beginn dürfen Ideen – als Text, Melodie oder Bild – eingereicht werden. Der international renommierte Improvisator Martin Sturm lässt daraus im Moment Musik entstehen: emotional, überraschend, einzigartig.

3. ORGEL UND STUMMFILM
Der Filmklassiker »Der Glöckner von Notre Dame« (1923) wird live mit Orgelimprovisationen begleitet. Die Frauenkirche – wie Notre-Dame de Paris ursprünglich der Gottesmutter Maria geweiht – bildet den spirituellen Raum für ein besonderes Erlebnis zwischen französisch-sinfonischem Klang und monumentalem Stummfilm.

Ein weiteres neues Format verbindet Orgel und Schlagzeug. Am 8. Mai, dem Tag der Befreiung, erklingt das Werk »Dies Irae« von Zsigmond Szathmáry, einem der bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten, der persönlich anwesend sein wird. In einer anschließenden sinfonischen Improvisation zu Psalm 55 verschmelzen Orgel und Schlagzeug zu einem nachdenklichen, intensiven Klangbild – eine musikalische Reflexion über Krieg, Angst und Hoffnung.

Zum Jahresausklang erwartet die Zuhörer*innen am 16. Dezember ein ganz besonderes Konzert mit Orgel und Solosopran, das die ruhige Besinnlichkeit der Adventszeit einfängt und zugleich die
festliche Vorfreude auf Weihnachten lebendig werden lässt. In den Tagen vor Weihnachten liegt eine einzigartige Atmosphäre in der Luft – eine Mischung aus Besinnlichkeit und freudiger Erwartung.

Dieses Konzert bringt diese Gefühle in vielfältigen Klangfarben zum Ausdruck: Neben klassischen Orgel- und Gesangswerken erklingen gregorianische Choräle, Improvisationen zu weihnachtlichen Themen sowie Auszüge aus Olivier Messiaens beeindruckendem Orgelzyklus »La Nativité du Seigneur«, der die Freude der Weihnacht in einem wahren Klangrausch feiert.

Das Orgeljahr 2026 lädt ein, die Frauenkirche als Klangraum neu zu entdecken. Es ist ein Jahr der Klangbrücken – zwischen Überlieferung und Augenblick, zwischen Geschichte und Gegenwart.

NIKLAS JAHN
seit 2024 Frauenkirchenorganist in Dresden.