Freiheit – Sicherheit
MAGAZIN »Leben in der Frauenkirche« > HEFT 1/2026 > INHALT > Karsamstagnachmittag in der Frauenkirche
Karsamstagnachmittag in der Frauenkirche
Die Bedeutung des Karsamstags scheint im kulturellen Gedächtnis unserer säkularisierten Gesellschaft verloren gegangen zu sein. Wie wenig über die christliche Tradition von Karwoche und Ostern allgemein bekannt ist, zeigte eindrücklich eine Umfrage der Sendung »Anne Will« im April 2012. Auf die Frage »Was feiern wir Ostern?« gab es ratlose Gesichter bei den Befragten oder Antworten wie »die Geburt Christi« und »was Altgermanisches, Heidnisches«.
Auch von Karfreitag war wenig bekannt: Karfreitag sei Christi Himmelfahrt oder »Karfreitag ist Christus auferstanden« lauteten die Antworten. Nach Karsamstag fragte der Reporter nicht explizit. Es ist zu vermuten, dass sich auch hier bemessene Kenntnisse gezeigt hätten.
Dabei gehört der Karsamstag zum sogenannten Triduum Sacrum, den »Heiligen drei Tagen«, die den Zeitraum vom letzten Abendmahl am Gründonnerstag bis zur Auferstehung am Ostersonntagmorgen umfassen. Doch anders als Karfreitag und Ostersonntag ist der Karsamstag kein gesetzlicher Feiertag, was auch dazu beitragen mag, dass der »Tag der Grabesruhe Jesu« oder »stille Samstag« im gesellschaftlichen Bewusstsein kaum noch präsent ist. Wer nimmt wirklich wahr, dass an diesem Tag in vielen Kirchen die Glocken schweigen und erst wieder erklingen, wenn in der Osternacht die Auferstehung Jesu Christi gefeiert wird?
Dem Karsamstag ist dieselbe Vorsilbe eigen wie dem vorangehenden Karfreitag, an dem Christinnen und Christen weltweit des Leidens und Sterbens Jesu am Kreuz gedenken. »Kar« hat seinen Ursprung im althochdeutschen »kara«, was so viel wie »Klage« und »Trauer« bedeutet. Die Trauer über den Tod Jesu geht in der biblischen Überlieferung mit einer gewissen Sprachlosigkeit einher. Im Lukasevangelium heißt es lediglich:
»UND DEN SABBAT ÜBER RUHTEN SIE NACH DEM GESETZ« (Lukas 23,56.)
Der Tag der Grabesruhe ist von Erschöpfung in tiefster Trauer geprägt, die in unserem nachösterlichen Glauben überleitet in beginnende Auferstehungshoffnung. Das Bild der Stadt Dresden an diesem Tag sieht – wie vielerorts – ganz anders aus: Die Geschäfte sind geöffnet; reges Treiben herrscht.
Viele Menschen sind unterwegs, die vor Ostern schnell noch einen Einkauf tätigen wollen und andere, die bereits im Urlaubsmodus durch Straßen, Parks und über Plätze flanieren. Sie kommen von nah und fern, aus aller Welt, schlendern über den Neumarkt und möchten die Frauenkirche besuchen.
Deren Türen sind geöffnet. Durchlichtet, golden strahlend empfängt der Kirchenraum die eintretenden Menschen. Die Architektur begegnet »in geheimnisvolle[r] Ordnung«, man fühlt sich [v]orweggenommen in ein Haus aus Licht«. Die Worte aus Marie Luise Kaschnitzʻ Gedicht »Auferstehung« steigen unvermittelt auf. Auferstehungsfreude ist dem wiederaufgebauten Kirchenraum eingeschrieben.
Am Karsamstagnachmittag ist es neben der Trauer eine stille Auferstehungsvorfreude, gründend in unserem nachösterlichen Wissen, die durch besinnliche Worte und Orgelklänge den Strom der Besucherinnen und Besucher verlangsamt und die dem Tag innewohnende Botschaft mitteilen möchte.
Dr. Anja Häse
Leiterin Bildung | Besucherdienst