Freiheit – Sicherheit
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Offen. Gehalten.
Es war ein historischer Moment der Freiheit, der den Wiederaufbau der Frauenkirche Dresden möglich machte. Menschen verließen gewohnte Pfade – aus politischen, wirtschaftlichen, aber auch aus ganz persönlichen Gründen. Mauern fielen friedlich, Grenzen wurden überwunden. In einer einzigartigen Verbindung von Mut, Vision und freiheitlichem Denken wurde diese Kirche wiedererrichtet – und auf das feste institutionelle Fundament einer gemeinnützigen Stiftung bürgerlichen Rechts gestellt.
Ich werde nicht müde zu betonen, welch kluge, zukunftsweisende Entscheidung dies war. Denn das freiheitliche Prinzip, das einer solchen Stiftung innewohnt, ist nicht hoch genug zu schätzen: keine Eigentümerinteressen, keine kurzfristigen Wahlprogramme – sondern die dauerhafte Bindung an den Willen der Stifterinnen, wie er in der Satzung festgelegt wurde.
Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens, der Freistaat Sachsen und die Landeshauptstadt Dresden gaben, gestützt durch ein großes bürgerschaftliches Engagement, damit etwas Bleibendes auf den Weg – unabhängig von parteipolitischen oder gesellschaftlichen Schwankungen.
Natürlich liegt die konkrete Ausgestaltung der Stiftungsarbeit in den Händen der jeweils Verantwortlichen – in den Gremien, im Team, im Dialog mit der Gesellschaft . Es gilt, die festgelegten Stiftungszwecke immer wieder neu in unsere Gegenwart zu übersetzen. Und genau das ist ein gutes Stück Freiheit – und auch eine nicht immer leichte Selbstverantwortung.
Diese Freiheit nutzt die Stiftung seit einigen Jahren, um klarer Haltung zu beziehen: gegen undemokratische, ausgrenzende und rechtspopulistische Tendenzen – hier vor Ort und darüber hinaus. Wir suchen zeitgenössische Zugänge zu den großen Themen Frieden und Versöhnung, die auch jene erreichen, die den Wiederaufbau der Frauenkirche selbst nicht mehr bewusst miterlebt haben oder die von außen ohne dieses historische Wissen zu uns kommen.
Freiheit – das zeigt sich dabei immer wieder – bedeutet auch das Ringen um den richtigen Weg, um das passende Medium. Unterschiedliche Perspektiven prallen aufeinander, etwa zwischen bewahrenden und veränderungsorientierten Stimmen innerhalb wie außerhalb der Stiftung. Diese Reibung ist nicht nur normal – sie ist produktiv und notwendig.
DENN ECHTE FREIHEIT HEISST: GESTALTEN DÜRFEN, DISKUTIEREN DÜRFEN, AUCH SCHEITERN DÜRFEN.
Nicht einer wie auch immer definierten Perfektion nachzulaufen, sondern Improvisation zuzulassen. Es gibt eben nicht den einen richtigen Weg, sondern den gemeinsamen Prozess, der von Verantwortung getragen ist. Doch unsere Freiheit als Stiftung Frauenkirche Dresden steht nicht im luftleeren Raum, sondern ist auch abhängig von institutioneller Sicherheit. Wir verdanken unsere Handlungsfreiheit nicht zuletzt der Tatsache, dass wir wirtschaftlich weitgehend unabhängig agieren können.
Auch das betone ich immer wieder – weil es leicht übersehen wird: Solange unser zu erhaltendes Vermögen inflationsbereinigt stabil bleibt, die Erträge, die Spenden, Zustiftungen und Einnahmen aus reichen, die Arbeit der Stiftung zu tragen, bleibt auch unsere inhaltliche Freiheit gewahrt. Doch angesichts steigender Preise, wachsender Instandhaltungskosten und technischer Herausforderungen in der Kirche ist das keine Selbstverständlichkeit mehr.
UND DESHALB IST NACH WIE VOR JEDE UND JEDER GEFRAGT,
UM DIESES GRUNDBÜRGERSCHAFTLICHE PRINZIP MIT IN DIE ZUKUNFT ZU TRAGEN.
JEDE SPENDE, JEDE FORM VON ENGAGEMENT ZÄHLT!
Unsere Freiheit wird künftig auch davon abhängen, ob es uns gelingt, Menschen weiterhin für das Projekt Frauenkirche zu begeistern – sie einzubeziehen, sie zu berühren, sie mitzunehmen, wo sie im Leben gerade stehen. Das heißt für uns konkret: Wir wollen Zugezogene ebenso ansprechen wie Alteingesessene, Menschen mit und ohne religiösen Hintergrund, junge Menschen, die neue Formen spiritueller Erfahrung suchen, genauso wie Touristinnen und Touristen, die sich vielleicht ganz zufällig in diese Kirche verirren.
Auch jene, die zweifeln, die andere Wege gehen, die sich sonst selten angesprochen fühlen – sie alle sollen sich hier willkommen fühlen. Mit Themen, die ihre Lebensrealität und ihre individuellen Bedürfnisse verbinden mit dem Geist der Versöhnung, der Kreativität und des offenen kontroversen Diskurses auch über die großen politischen Themen unserer Zeit, welche diese Kirche prägen.
Stellen Sie sich zum Beispiel Folgendes vor: Ein getanzter Gottesdienst – oder ein Gottesdienst für Menschen, die zweifeln oder nicht glauben. Ein Pop-up-Konzert, das spontan einlädt mitzumachen – ohne feste Programmfolge, ohne feste Besetzung. Also ein Nachmittag oder Abend, an dem Menschen unsere Kirche ad hoc und ohne ein Korsett mit Klang füllen können.
Eine Speaker’s Corner zur Frage nach dem Gesicht Gottes in unserer Welt. Ein 24-Stunden-Friedensgebet, gestaltet von allen, die mitmachen möchten. Oder: ein Valentine’s Day à la Frauenkirche – ein Tag voller Liebe, in Musik und Wort, Begegnung und Romantik. Wie auch immer das konkret aussehen mag.
Noch sind es eher persönliche Träume. Aber vielleicht werden daraus Angebote, die das Besondere mit dem Alltäglichen zusammenführen, das Spirituelle mit dem Weltlichen, das Persönliche mit dem Gesellschaftlichen. Lassen Sie es mich als Plädoyer formulieren:
DIE FREIHEIT DES DENKENS UND HANDELNS IN UNSERER STIFTUNG IST KEIN SELBSTZWECK –
SIE IST BEDINGUNG FÜR STABILITÄT. UND UMGEKEHRT.
Sicherheit – strukturell, wirtschaftlich, institutionell – ist das stabile Fundament, auf dem Freiheit wachsen kann.
Die Stiftung Frauenkirche Dresden hat mit ihrer Struktur und Haltung die Voraussetzungen, auch in Zukunft Mauern zu überwinden – geistig und geistlich, kulturell und gesellschaftlich. Sie kann Räume öffnen, in denen neue Ideen entstehen, neue Allianzen wachsen und neue Wege in eine versöhnte Zukunft führen. In denen Menschen zu sich selbst und zu anderen finden.
Freiheit braucht Stabilität. Sicherheit braucht Freiheit. Beides gehört untrennbar zusammen – und beides braucht unseren Mut, unsere Offenheit, unser angstfreies Engagement. Heute mehr denn je.
Maria Noth
Geschäftsführerin Stiftung Frauenkirche Dresden