Freiheit – Sicherheit
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Unerhört leise – Stimmen, die bleiben
Mit der Ausstellung »Unerhört leise! Erinnern. Wirken. Weitertragen.« hat die Frauenkirche Dresden einen Raum eröffnet, in dem Erinnerung, Kunst und bürgerschaftliches Engagement auf besondere Weise miteinander in Dialog traten. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie wir Erinnerungskultur so gestalten können, dass sie einen Beitrag zum Frieden im Hier und Jetzt leistet.
Als sich zur Eröffnung von »Unerhört leise!« die Türen der Frauenkirche öffneten, war der spanische Künstler Fernando Sánchez Castillo selbst anwesend. Sichtlich bewegt und nachdenklich erlebte er, wie seine Installation in diesem besonderen Raum zur Wirkung kam. Er betonte, wie besonders es für ihn sei, seine Arbeiten an einem Ort zu sehen, der selbst für Zerstörung und Neubeginn steht – und in dem das Leise auf seine eigene Weise spürbar wird.
»DIE VIELEN STIMMEN, DIE 1982 AN DER
RUINE DER FRAUENKIRCHE GEMEINSAM
›WE SHALL OVERCOME‹ SANGEN,
KLINGEN IN DIESEN MAUERN UND IN
DIESER STADT NOCH HEUTE NACH.«
Fernando Sanchez Castillo
Die künstlerische Arbeit lud nicht nur zum Betrachten, sondern zum Mitdenken und Mitwirken ein. Besucherinnen und Besucher waren eingeladen eine der 5.000 Figuren mit nach Hause zunehmen. Dafür konnten sie ihre Gedanken, Wünsche und Ideen zur Frage »Welchen Beitrag müssen wir für eine lebendige Demokratie leisten?« auf kleinen Post-it-Zetteln hinterlassen.
Diese scheinbar flüchtigen Notizen wuchsen im Lauf der Ausstellung zu einem vielstimmigen Mosaik – bunt, nachdenklich, kritisch, berührend. Sie machten sichtbar, was die Ausstellung auszeichnete: das gemeinsame Gestalten der Zukunft durch Erinnerung.
»WIR SCHAFFEN EINEN GEMEINSAMEN MOMENT DES TEILENS VERSCHIEDENSTER IDEEN – NICHT NUR, UM SICH SELBST AUSZUDRÜCKEN ODER AUF DEN VORSCHLAG DES KÜNSTLERS EINZUGEHEN, SONDERN AUCH, UM SICH VON DER GEMEINSCHAFT INSPIRIEREN ZU LASSEN, DIE DIESEN MOMENT UND RAUM MITEINANDER TEILT.«
Fernando Sanchez Castillo
Viele der Zettel erzählten von leisen Hoffnungen auf Frieden, von persönlichen Erfahrungen des Zuhörens, von Protest und von der eigenen Verantwortung für unser Miteinander. Andere formulierten Fragen, die weiterklingen, uns nachdenklich machen. Auch kreative Bilder wurden geschaffen und so das Kunstwerk fortgeschrieben. So wurde aus dem Ausstellungsraum ein Ort lebendiger Beteiligung: ein Resonanzraum für die Stimmen der Besucherinnen und Besucher.
»Unerhört leise« hat gezeigt, dass Erinnerungskultur dann besonders lebendig wird, wenn sie nicht nur erzählt, sondern geteilt wird. Die Ausstellung mag inzwischen selbst Geschichte sein – die leisen Stimmen aber wirken fort.
AUSSTELLUNG »Unerhört leise! – Erinnern. Wirken. Weitertragen.«
Der spanische Künstler Fernando Sánchez Castillo präsentierte in der Unterkirche der Frauenkirche vom 21. Oktober bis 19. November 2025 eine Installation aus 5.000 Frauenfiguren: Sie knien und stellen Kerzen ab. Eine unerhört leise Geste, die an den 13. Februar 1982 erinnert, als junge Menschen an der Ruine der Kirche mit Kerzen stillen Protest wagten.
Aus Klangspuren werden Lichtzeichen Mit einer zusätzlichen Lichtinstallation
übersetzt Fernando Sánchez Castillo den Gesang der Menschen von 1982 in heute sichtbare Signale: Eine Glühbirne, inspiriert von Picassos »Guernica«, sendet in Morsezeichen die Botschaft »We shall overcome«. Wie das gesungene Lied setzt auch das flackernde Licht einen stillen Impuls, der zum Nachdenken anregt und die Kraft gemeinsamer Hoffnungen sichtbar macht.
Andreas Dieterich
Referent für Friedens- und Versöhnungsarbeit