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Barrierefreiheit – Wege und Möglichkeiten

Barrierefreiheit und die Frauenkirche scheinen sich im ersten Gedankenanlauf zu widersprechen. Die Frauenkirche wurde originalgetreu wieder aufgebaut, sie hat sieben Außentreppen und nicht überall Handläufe. Innen gibt es zwar einen Aufzug, über den man auch auf die Emporen kommen kann, allerdings nur mit nachfolgender Überwindung von Diff erenztreppen.

In die Unterkirche kann man über den internen Fahrstuhl ebenso gelangen, sitzt jedoch im Brandfall, wenn der Aufzug stillsteht, fest. Keine günstigen Bedingungen. Wenn man sich jedoch die Details anschaut, dann ist doch Einiges in den Wiederaufbau eingeflossen und wie im Folgenden gezeigt wird auch in Überlegungen, die im nächsten Jahr umgesetzt werden sollen.

Für die Menschen mit Hörbehinderung wurde bereits 1996 beim Wiederaufbau der Unterkirche eine Hörschleife eingebaut, und eine solche ist auch in der Hauptkirche im Kirchenschiff und in der Betstubenempore ab 2005 installiert worden.

Für Rollstuhlfahrer wurden nach langem Ringen zwei Senkrecht-Behinderten-Aufzüge an den Außentreppen A und G anstelle von aufgrund ihrer Länge nach nicht realisierbaren Rampen eingebaut. Dazu wurden die Außentreppen A und G gegenüber den anderen Außentreppenanlagen in ihrer Podestfläche vergrößert und weiter in den Platzraum herausgeschoben, damit die Rollstuhlfahrer seitlich vom Aufzug zum Podest kommen, von dem sie aus dann durch die Portaltüren in die Treppenhausbereiche und dann in den Kirchraum gelangen.

Über dann sich anschließende Rampen gelangen sie schließlich in das Kirchenschiff. Hier können sie in den Gängen Platz nehmen. Insgesamt 12 Rollstuhlfahrerplätze können wir gemäß Brandschutzkonzeption zu Veranstaltungen anbieten. Diese internen Rampen sind natürlich auch eine moderne Zutat.

Für ein paar Jahre gab es ein Angebot, das leider wieder zurückgebaut werden musste, da es nicht angenommen wurde. Während der Detailplanung des Kirchengestühls hatte ich für die Reihe 8 im Kirchenschiff vorgesehen, dass ein Teil der Brüstung und des Fußbodenpodests demontabel ausgeführt werden, damit Rollstuhlfahrer in Blickrichtung zum Altar wie die anderen Kirchenbesucher sitzen können.

Für die Begleiter wurden in diesem Bankbereich zudem Klappsitze angebracht, so dass beide nebeneinander Platz nehmen konnten. Im Nachhinein musste dann festgestellt werden, dass diese Idee zwar gut gemeint war, aber es sich für die im Rollstuhl Sitzenden nicht gut anfühlte, dass sie um die Podesthöhe, nämlich 17 cm, niedriger als Ihre Sitznachbarn und in der Bankreihe saßen und dadurch ihre Einsichtsmöglichkeit in den Kirchraum zudem eingeschränkt wurde. Heute findet sich in Reihe 8 eine durchgehende Sitzbankreihe.

Die Handläufe an den Außentreppen sind ebenfalls eine Zutat des Wiederaufbaus. In Abänderung des äußeren Erscheinungsbildes wurde in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege die Ergänzung eines Handlaufes für den Abgang, also für das Heruntergehen, beschlossen und an den Eingängen A und G ein zusätzlicher für den Aufgang.

Letzteres war nötig, da beide Eingänge nutzungsbedingt als Zu- und Abgänge für den Kuppelaufstieg dienten bzw. dienen. Aus heutiger Sicht und in Veränderung der Zu- und Abgänge für bestimmte Veranstaltungen ist dieses Konzept der Handlaufgestaltung nicht mehr aktuell. Daher wurde wiederum mit der Denkmalpflege abgestimmt, die Handläufe für alle Eingänge beidseitig auszuführen.

Mit der Handlaufergänzung wird noch eine neue Überlegung, nämlich die Eingangsbezeichnung für Menschen mit Sehbehinderungen an den Handläufen, Gestalt annehmen.

Ein Ehepaar kam im letzten Jahr auf mich zu und fragte mich, ob es eine Möglichkeit gäbe, die Eingangsbezeichnung, die dem Original entsprechend über den Portaltüren auf den Sandstein aufgemalt ist, auch auf den Handläufen anzubringen. Den Hinweis sofort aufnehmend habe ich mich mit dem Thema beschäftigt.

Dazu gehörte auch die Beschäft igung mit der Eingangsnutzung, der bisherigen und bereits geschilderten Handlaufgestaltung, den Materialbedingungen, in unserem Fall Messing und wer eine digitale Druckdatei erstellen kann, mit deren Hilfe dann unser Messingbetrieb die Arbeiten über die CNC-Maschine fertigen lassen kann.

Geplant ist für das Jahr 2024 die Arbeiten an den Handläufen ausführen zu lassen. Dazu notwendige Abstimmungen mit dem städtischen Büro der Beauft ragten für Menschen mit Behinderungen und Senior/innen wurden geführt.

Die Ansprache durch das Ehepaar hat mich an eine Situation zu Beginn des Wiederaufbaus erinnert. Ein im Alter blind gewordener Pfarrer hat sich mit seinen Briefen an den Baudirektor gewandt und den darin gegebenen Hinweisen auf Umstände hingewiesen, die für Menschen mit Sehbehinderungen wichtig waren und sind.

Wo immer es möglich war, haben wir diese Empfehlungen umgesetzt, manchmal über das hinausgehend, was die Vorschrift en oder Empfehlungen als notwendig erachteten. In jedem Fall haben diese persönlichen Ansprachen alle am Planungsprozess Beteiligten auf eindringlichere Art, als es eine Norm kann, darauf eingeschworen, diese Planungsaspekte, wo immer es in einem Wiederaufbauprozess möglich war, mitzudenken.

Auf den zweiten Blick lässt sich sicher feststellen, dass viele Überlegungen für Menschen mit Behinderungen in den Wiederaufbauprozess nicht nur eingeflossen, sondern auch umgesetzt worden sind und sich auf ihre Nutzung der Kirche positiv auswirken.

Den ehemaligen und neuen Hinweisgebern von außen danken wir herzlich. Wie bereits erwähnt sind diese Eindrücke wie Bilder, die sich anders in der Erinnerung festsetzen als Gesetze und Normen.

THOMAS GOTTSCHLICH
Leitender Architekt