»Wir haben die Wahl«
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Die Feste im Kirchenjahr Gründonnerstag
Teilen, Haben und Sein im Abendmahl Jesu
Der Gründonnerstag ist der Beginn des altkirchlichen »Triduum sacrum« oder »Triduum paschale«, der Heiligen drei Tage, die als zusammenhängende gottesdienstliche Liturgie in die Osternachtfeier münden. (Die Tageszählung begann traditionell mit dem Abend.)
Am Donnerstag vor Ostern wird an das letzte festliche Mahl erinnert, das Jesus am Abend vor seinem Tod mit seinen Jüngern gefeiert hat. Sie teilten Brot und Wein miteinander. Beim Austeilen des Brotes und beim Weitergeben des Weinkelches erklärte Jesus die Bedeutung seines bevorstehenden Todes.
Dieses in Wort und Tat verdichtete Geschehen wird im christlichen Sprachgebrauch als »Einsetzung« bezeichnet. Hier haben die bis heute bei jeder Abendmahls- bzw. Eucharistiefeier gesprochenen oder gesungenen Einsetzungsworte ihren Ursprung.
Ob es sich, wie die Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas berichten, bei diesem letzten Essen um ein Passamahl handelte, ist umstritten. Sie datieren die Feier auf die Passanacht vom 14. auf den 15. Nisan (Nisan = Frühlingsmonat im jüdischen Kalender).
Am 15. Nisan – das ist nach den Evangelien der Rüsttag vor dem Sabbat, also ein Freitag – wird Jesus gekreuzigt. Die Datierung des Johannesevangeliums ist eine andere. Demnach stirbt Jesus bereits am Nachmittag des 14. Nisan. Zu diesem Zeitpunkt wurden im Jerusalemer Tempel die Passalämmer geschlachtet. So kann es sich beim Essen am Abend zuvor nicht um ein Passamahl gehandelt haben.
Johannes berichtet nichts über eine Einsetzung des Abendmahls. Für ihn stehen in der Erzählung vom gemeinsamen Mahl die Fußwaschung als Zeichen des Einander-Dienens und der Nächstenliebe sowie das Erkennen des Jüngers Judas als Verräter im Vordergrund der Schilderungen. Daran schließen sich beim vierten Evangelisten die Abschiedsreden Jesu an, die das gemeinsame Essen voraussetzen.
Nicht mutig
DIE MUTIGEN WISSEN
DASS SIE NICHT AUFERSTEHEN
DASS KEIN FLEISCH UM SIE WÄCHST
AM JÜNGSTEN MORGEN
DASS SIE NICHTS MEHR ERINNERN
NIEMANDEM WIEDERBEGEGNEN
DASS NICHTS IHRER WARTET
KEINE SELIGKEIT
KEINE FOLTER
ICH
BIN NICHT MUTIG.
Marie Luise Kaschnitz
Seit dem 12. Jahrhundert hat sich der Name »Gründonnerstag« eingebürgert. Begangen wird der Tag der Einsetzung des Abendmahls jedoch schon seit dem 4. Jahrhundert. Dabei hat der Name weniger mit der Farbe grün zu tun als mit dem mittelhochdeutschen Wort »grinen « bzw. »Greinen«, das »Weinen, Klagen, Tränen vergießen« bedeutet.
Verrat, Enttäuschung und Verleugnung zeichnen sich ab, Abschied macht die Herzen schwer, Martyrium und Tod Jesu stehen vor Augen. Es liegt also nahe, dieser Deutung zu folgen.
Das Greinen und Weinen wurde auch auf die Tränen der Büßer, der virides bezogen, (=die sog. Grünen, die nach der Zeit des »dürren Holzes« wieder lebendiges, grünendes Holz wurden, vgl. Lk 23,31), die nach einer Zeit verschiedener Bußtaten und Prüfungen am Gründonnerstag wieder in die Abendmahlsgemeinschaft aufgenommen wurden.
Jedoch stammt diese Deutung aus dem 17. Jahrhundert und kann daher keinen Einfluss auf die erheblich ältere Benennung gehabt haben. Im Brauchtum hat sich vielerorts durchgesetzt, Speisen mit grünen Heilkräutern zu essen, in der Annahme, dass diese am Gründonnerstag besonders gesundheitsfördernd seien.
Der Gründonnerstag gilt als herausgehobene Station auf Jesu Leidensweg. Nicht nur, dass er von den engsten Freunden verraten und verleugnet wird – sie lassen ihn auch in den Stunden höchster Anfechtung allein. Betend ringt Jesus im Garten Gethsemane mit den bevorstehenden Todesqualen.
Während sich seine Freunde einige Meter von ihm entfernt vor Traurigkeit und Erschöpfung nicht mehr wachhalten können, sind die Soldaten schon unterwegs, die Jesus gefangen nehmen werden.
Im Altarbild unserer Frauenkirche ist dieser Moment eindrucksvoll festgehalten. Einzig der Engel, von dem nur der Evangelist Lukas erzählt (Lk 22,43), stärkt Jesus. Gründonnerstag – Dunkles Tal und lichtvolle Höhe zugleich. Der Kelch des Leidens ist zugleich Kelch des Heils.
Jesus gibt sein Leben und gibt sich uns. Mit den Jüngern teilt er nicht nur sein Wissen, seinen Geist, seine Vollmacht und die Nähe zum Vater. Sondern er teilt sich selbst – und lässt sie teil-haben an seiner Person.
In dem Brot, das Jesus mit ihnen teilt, ist er auf unbegreifliche Weise selbst enthalten. Und indem die Jünger von dem Brot essen und von dem Kelch trinken, ist Jesus nicht mehr nur bei ihnen, sondern in ihnen. Indem sie seinen Leib, sein Blut aufnehmen in sich, werden sie aufgenommen in ihn – und sind dann miteinander der eine Leib Christi.
Der älteste biblische Mahlbericht ist im 1. Korintherbrief, Kapitel 11, Verse 17ff zu lesen.
Er verdankt sich ausgerechnet einer unsolidarischen Abendmahlspraxis der Korinther.
Auf diese untrennbare heilige Gemeinschaft zielt die heilige Handlung, die Christus zu wiederholen befohlen hat. Durch das Sakrament des Abendmahls existiert er in seiner Gemeinde und als seine Gemeinde – während wiederum die Gemeinde von dem lebt und für den lebt, an dem sie teilhat.
Die Gemeinschaft, die am Gründonnerstag initiiert wird, versammelt sich also nicht nur um Jesu Botschaft oder um ein von ihm gestiftetes Ritual, sondern um Jesus Christus selbst.
Sie ist Leib Christi – und darin mit ihm und untereinander verbunden. Liturgisch wird der Gründonnerstag an vielen Orten mit einem Tischabendmahl gefeiert. Als Christus-Fest ist ihm als liturgische Farbe weiß zugeordnet.
In der Lutherischen Gottesdienstordnung ist festgelegt, dass das seit Beginn der Fastenzeit verstummte »Ehre sei Gott in der Höhe« (»Gloria«) unter dem Geläut aller Glocken nun wieder zu singen sei, da das Abendmahl einen Vorgeschmack auf das himmlische Freudenmahl gebe. Die Gesänge »Ehre sei dem Vater...« (»Gloria patri«) und »Halleluja« werden jedoch »gefastet«.
Wo der Gottesdienst am Gründonnerstag als Auftakt des Triduum sacrum gestaltet wird, tragen die Liturginnen und Liturgen während der gottesdienstlichen Feier allen Altarschmuck hinaus und hängen die liturgischen Textilien (=Paramente) ab.
Der Gottesdienst schließt ohne Segen, denn im Sinne der Heiligen drei Tage endet er hier ja noch nicht, sondern erst in der Osternacht. In Erinnerung an Jesu nächtliches Ringen im Garten Gethsemane können sich liturgische Nachtwachen anschließen.
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Frauenkirchenpfarrerin Angelika Behnke
ist seit 2016 Pfarrerin der Frauenkirche Dresden.