»Teilen und Haben«

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Immer wieder aufeinander zugehen

Das Ehepaar Sonntag ist seit über 60 Jahren verheiratet. Wenn man auf ein so langes gemeinsames Leben zurückblickt, spielen »Teilen und Haben« sicher eine große Rolle.

Wie haben Sie sich kennengelernt?

FR. SONNTAG: Wir haben uns in Bad Schandau kennengelernt. Ich war mit einer Freundin im Urlaub. Da sind uns die jungen Männer begegnet und haben mit uns Federball gespielt. Mein Mann war dabei und so haben wir uns kennengelernt. Wir sind miteinander ausgegangen, ins Kino und tanzen und haben schöne Tage verlebt.

Wir sind dann wieder abgereist, meine Freundin und ich. Mein Mann hatte meine Adresse und hat sofort geschrieben – und hat mich nicht mehr losgelassen! Obwohl ich das gar nicht wollte. Ich fand ihn ganz lieb und sympathisch und alles, aber ich wollte einfach nicht heiraten.

HR. SONNTAG:
Wir haben uns 1961 verlobt und am 29. 06. 1963 geheiratet.

FR. SONNTAG:
Es war DDR-Zeit und es hat eine Weile gedauert, bis wir zusammenwohnen konnten. Uns ging es gut, wir hatten gute Berufe und so ging das Leben weiter. Und wir waren zufrieden und glücklich – sonst hätte ich es nicht sechzig Jahre ausgehalten! (lacht)

Was haben Sie beruflich gemacht?

FR. SONNTAG: Mein Mann war Schriftsetzer, hat sein Studium an der Gutenbergschule in Leipzig absolviert.

HR. SONNTAG: Vorher war ich landwirtschaftlicher Facharbeiter, das habe ich gelernt.

FR. SONNTAG: Ich habe im Fernmeldeamt gelernt: Telegraphie und alles mit Fernschreibern. Das ging zehn Jahre und dann wurde das Fernmeldeamt der Post übergeben. Da hat man mir ein Fernstudium vorgeschlagen, und so bin ich bei der Post geblieben, jedoch in der Buchhaltung, und so habe ich insgesamt achtunddreißig Jahre dort gearbeitet. Ich wäre aber auch gerne Medizinerin geworden.

Aber achtunddreißig Jahre an einem Ort zu arbeiten, spricht für eine große Beständigkeit. Macht das auch Ihre Ehe aus?

FR. SONNTAG: Ja, das könnte sein. Mein Mann ist auch in seinem Beruf geblieben. Aber wir haben uns auch immer gegenseitig unterstützt. Ein Beispiel: Ich habe das Fernstudium gemacht und ich hatte gute Zeugnisse, aber in der Rechtschreibung war ich nicht so gut. Der Lehrer hat zu mir gesagt: »Also Frau Sonntag, Sie müssen sich ein bisschen anstrengen, Sie tendieren mir zu sehr auf die Vier!«

»Um Gottes Willen«, habe ich gesagt, »mein Mann ist Schriftsetzer, der ist doch gut in Deutsch!« Wir haben dann zusammen geübt und ich bin noch auf die Zwei gekommen.

Das ist aber toll! (alle lachen) Dass man auch eine vermeintliche Schwäche miteinander zu einer Stärke macht, dass Sie sich gegenseitig unterstützt haben.

HR. SONNTAG: Ich habe sie unterstützt, sie hat mich unterstützt, wo es nötig war, also irgendwie haben wir uns gegenseitig immer geholfen.

Wie haben Sie das geschafft?

FR. SONNTAG: Wir waren immer gut miteinander, aber es gab schon Sachen, wo mir etwas nicht gefallen hat…

HR. SONNTAG: …oder umgedreht…

FR. SONNTAG: … oder umgedreht, und da haben wir dann darüber gesprochen und gesagt: »Also wenn sich das nicht ändert… gefallen tut es mir nicht.«

Wir konnten uns auch auf den anderen einstellen und haben dann vieles auch geändert, was gut war. Aber wie gesagt, Zanken und Streiten gehört einfach dazu zum Leben.

FR. SONNTAG: Aber bei uns ging es dann immer wieder gut aus, wenn mal was war. Sie sind also immer wieder aufeinander zugegangen. Sie haben ja auch viele Hobbys oder viele gemeinsame Interessen miteinander geteilt. Das Fotografieren, Wandern…

HR. SONNTAG: Das Fotografieren steht fast an erster Stelle. Durch das Fotografieren haben wir mit dem Fotoclub Exkursionen gemacht, vor allem in die Sächsische Schweiz.

FR. SONNTAG: Wir finden immer wieder zusammen. Und wenn er manchmal sagt: »Aber ich möchte lieber das« und (lacht) wenn ich denke: »Das ist ja nicht schlecht«, na dann machen wir es! Oder umgedreht.

Sie lachen auch miteinander, das fällt mir auf. Woher nehmen Sie das?

FR. SONNTAG: Mein Vater ist im Krieg geblieben. Er ist nicht gefallen, er ist in Gefangenschaft geraten, war dann im Entlassungslager und hatte dann Magengeschwüre und ist daran gestorben. Mein Vater war ein sehr liebevoller und gutmütiger Mann, meine Mutti war auch sehr fröhlich.

Ich bin in Schlesien geboren, in Niederschlesien bei Breslau. Wir mussten zweimal aussiedeln, und das war für meine Mutter nicht einfach gewesen.

Ein fröhliches oder offenes Wesen zu haben, heißt auch, dass ich aus den Umständen etwas mache, zuversichtlich und interessiert bleibe.

FR. SONNTAG: Ja, vielleicht nicht so in allen Dingen wie früher, aber interessiert sind wir schon.

Wie ging es nach der Wende 1989 für Sie weiter?

FR. SONNTAG: Mein Mann hatte schon immer andere Sachen mit uns vor, aber wir fühlten uns eigentlich gut. Bei mir ging es beruflich etwas zurück. Wir sind mit der Zeit gut zurechtgekommen. Uns hat es auch gefallen, es war gut irgendwie. Die ganze Umstrukturierung, die Veränderungen, das war interessant und mein Mann hat auch mitgemacht und ich auch; es war gut.

Weil Sie off ene Menschen sind?

HR. SONNTAG: Es war eine spannende Zeit damals. Ich habe für eine Zeitung »Das Extrablatt vom Zeitungsjungen« gearbeitet. Jetzt gibt es die nicht mehr oder nicht mehr in dem Rahmen. Das war damals eine interessante Zeit. Das Schlimmste, was wir mit der Zeitung erlebt hatten, war das Hochwasser 2002.

Ich bin in die Stadt gegangen und habe fotografiert, wie das einen Tag nach diesem Hochwasser aussah. Und als ich nach Hause gekommen bin, da sind mir die Tränen geflossen, ich darf nicht dran denken. Das war sehr, sehr rührend und belastend, das zu erleben.

FR. SONNTAG: Wir sind auch der Frauenkirche sehr verbunden. Zur Einsegnung unserer Goldenen Hochzeit am 3. 6. 2013 haben wir das Ehepaar Becker aus Zürich kennengelernt, die zur gleichen zeit ihre Goldene Hochzeit feierten. Daraus ist mit ihnen eine innige Freundschaft entstanden. Wir haben uns öft er getroff en, auch in Verbindung mit der Frauenkirche.

HR. SONNTAG: Zu DDR-Zeiten 1984 haben wir auf den Brühlschen Terrassen gestanden und die Ruine gesehen. Wir haben gedacht: »Schade, dass die Kirche nicht mehr steht.« Und als die dann gebaut wurde, haben wir den Bau verfolgt. Zur Weihe 2005 waren wir da und dann immer mal wieder. Mit Freunden besuchen wir die Frauenkirche immer zum Reformationsfest und zu anderen Anlässen.

Zu unserer Goldenen Hochzeit und zur Diamantenen Hochzeit am 9.7.2023 hat uns Pfarrer Feydt eingesegnet. Das war für uns ein ganz besonderer Moment.


→ Das Gespräch führte Liane Rohayem-Fischer

Liane Rohayem-Fischer
Leiterin der Kommunaktion der Stiftung Frauenkirche Dresden