»Teilen und Haben«
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Wir haben die Wahl
Die Tradition des Gedenkens am 13. Februar in der Frauenkirche ist eng verbunden mit der »Nacht der Stille«. Sie geht zurück auf die Zeit, als sich 1982 an der Ruine der Frauenkirche (vor allem junge) Menschen nach dem Besuch des Friedensforums in der Kreuzkirche einfanden, in völliger Ruhe Kerzen abstellten und gemeinsam »We shall overcome« sangen.
Was sich harmlos und besinnlich anhört, war jedoch eine klare Auflehnung gegen das staatlich verordnete Gedenken, ein Zeichen auch gegen die zunehmende Militarisierung des Ost-West-Konfliktes und mit Risiken für alle Teilnehmer*innen verbunden.
Mit der Fertigstellung der Unterkirche 1996 wurde diese der Raum für das Gedenken am 13. Februar, und im Jahr der Weihe zog die »Nacht der Stille« um in den Hauptraum. Wer die »Nacht der Stille« in der Frauenkirche erlebt hat, weiß, dass die Stille immer in Wort und Musik gestaltet wurde, dass sich das Gedenken in die Gegenwart und Zukunft richtete und mit einem Bekenntnis zur eigenen Verantwortung für ein friedliches Miteinander einherging. Das Gebet um Frieden war und ist immer politisch und schloss die weltweiten Kriegsschauplätze ein.
Vor dem Hintergrund des Erstarkens einer rechtspopulistischen und in einigen Landesverbänden als gesichert rechtsextremen eingestuften Partei in unserem Land und mit Blick auf die anstehenden Europa-, Kommunal- und Landtagswahlen 2024 haben wir uns entschlossen, das Erinnern an den 13. Februar 1945 mit einem Aufruf zur Stärkung unserer Demokratie zu verbinden.
Wir wollen ein klares Statement setzen und Menschen warnen, was den Marginalisierten unserer Gesellschaft bevorsteht, wenn wir in der kommenden Wahl nicht demokratisch wählen.
Aus der »Nacht der Stille« wird 2024 eine »Nacht der Stimme(n)«, die an jede*n Einzelne*n appellieren, sich dafür einzusetzen, dass Antisemitismus, Fremdenhass und Rassismus keinen Platz in unserer Gesellschaft haben.
Wir wollen uns erinnern, wohin dieser Weg uns führen kann und darauf aufbauend motivieren, sich aktiv einzubringen für eine demokratische Gesellschaft.
Unter der Überschrift »Wir haben die Wahl« nehmen wir die aus dem Gedenken resultierende Mahnung ernst, heute eindeutig Haltung zu beziehen gegenüber Positionen, die im Widerspruch zu unserem Grundgesetz als freiheitlich-demokratische Verfassung stehen.
Gedenken muss politisch sein, sonst verkommt es zu einer bloßen Routine, einer Form ohne Inhalt oder Relevanz für die Gegenwart. In dieser Haltung zogen Menschen 1982 mit Kerzen zur Ruine der Frauenkirche. Dieses Licht verbindet uns.
Andreas Dieterich
Referent für Friedens- und Versöhnungsarbeit
an der Stiftung Frauenkirche Dresden
Dr. Anja Häse
Leiterin Bildung und Besucherdienst
an der Stiftung Frauenkirche Dresden