Geschichten sind das Fundament der Frauenkirche

Ein Kreuz aus Nägeln steht auf dem Altar der Frauenkirche. Warum? Eine kunstvolle Flammenvase vollendet einen Treppenturm. Was macht sie besonders? Ein strahlendes Kreuz bekrönt das Bauwerk in über 90 Metern Höhe. Wieso staunen so viele darüber?

Es sind Symbole und Geschichten, die beim Besuch der Frauenkirche entdeckt werden wollen. Sie sind verbunden mit Orten, von denen die Versöhnungsbotschaft ausgeht. Sie erzählen von Menschen, die sich für den Frieden einsetzen. Es ist das Anliegen der Frauenkirche, diese Geschichten zu sammeln und zu wahren.

Andreas Dieterich

Frieden ist, sich zu erinnern, von der Geschichte berühren zu lassen und Hoffnung zu schöpfen.

Der Wiederaufbau der Frauenkirche Dresden war nur durch großes gesellschaftliches Engagement möglich.

Engagement zeigen

Der Wiederaufbau der Frauenkirche war getragen durch viele.

Die drei Nägel sind zu einem wichtigen Zeichen für Hoffnung und Versöhnung geworden.

Hoffnung stiften

Drei Nägel werden zu einem bedeutsamen Versöhnungszeichen.

Das Turmkreuz der Frauenkirche Dresden steht für Vergebung und Versöhnung.

Vergebung wagen

»Dieses Kreuz war die Krönung meiner Laufbahn.«

Abgebildet ist die Flammenvase, als Zeichen der Versöhnung

Lebendige Erinnerung

Eine steinerne Versöhnungsflamme hält Erinnerung wach.

Beispiele für Friedensgeschichten
der Frauenkirche

Den Wunsch, die Frauenkirche wiederaufzubauen, gab es vom Tag des Einsturzes an. Allerdings hatten weder die Landeskirche noch die Stadt Dresden nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges die finanziellen Mittel und technischen beziehungsweise personellen Möglichkeiten, den Wiederaufbau aus eigener Kraft zu bewerkstelligen.

Die friedliche Revolution 1989 und die Wiedervereinigung Deutschlands 1990 brachten auch die Wende für die Dresdner Frauenkirche. Im November 1989 gründeten engagierte Dresdner eine Bürgerinitiative für den Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche und traten am 13. Februar 1990 mit dem „Ruf aus Dresden“ an die Öffentlichkeit. Im In- und Ausland bildeten sich Förder- und Freundeskreise, Menschen aus allen Teilen Deutschlands und aus vielen anderen Ländern stellten sich in den Dienst der Wiederaufbauidee. Dank dieser beeindruckenden Initiative wurde die Wiederaufbauidee in die ganze Welt getragen.

An der wieder aufgebauten Frauenkirche ist das Schicksal ihrer Zerstörung weiter ablesbar geblieben. Als Ort der Erinnerung mahnt die sie an Zerstörung und Leid, die der Krieg bringt. Als Ort der Hoffnung erinnert sie daran, dass Wunden heilen können und Versöhnung möglich ist, wenn Menschen sich auf den Weg machen und für eine Idee einstehen.

Den Schrecken des Zweiten Weltkrieges hat auch die Kathedrale von Coventry (England) erfahren. Nach der Zerstörung der Kathedrale am 14./15.November 1940 durch deutsche Bombenangriffe ließ der damalige Dompropst Richard Howard die Worte „Vater vergib“ in die Chorwand der Ruine meißeln. Über diesen Worten steht auf dem Altar das originale Nagelkreuz von Coventry. In der rauchenden Ruine der Kathedrale wurden nach der Zerstörung aus dem Gebälk des Deckengewölbes einige mittelalterliche Zimmermannsnägel geborgen. Drei dieser Nägel sind später zu einem Kreuz zusammengefügt worden. Aus den Teilen der Zerstörung entstand somit ein neuer Hinweis auf die christliche Hoffnung und die Heilung der Wunden des Krieges wurde sichtbar.

Inzwischen werden unter dem Zeichen des Nagelkreuzes in aller Welt in vielfältiger Weise Schritte der Versöhnung gegangen. Über 200 Nagelkreuze haben ihren Platz an Orten gefunden, wo Menschen sich unter diesem Kreuz der Aufgabe stellen, alte Gegensätze zu überbrücken und Versöhnung zu leben. Wie über 50 andere Orte in Deutschland ist auch die Dresdner Frauenkirche eines der Nagelkreuzzentren. Sie ist Ort des regelmäßigen Gebetes der Versöhnungsliturgie von Coventry. Jeden Freitag sind die Gäste der Mittagsandacht eingeladen, gemeinsam die Versöhnungsliturgie zu sprechen. Getragen von der Hoffnung, dass Versöhnung und Frieden möglich sind.

Ganz oben über der Kuppel und der Laterne der Frauenkirche strahlt das neu gefertigte Turmkreuz. Auf ganz besondere Weise versinnbildlicht es die Kraft der Vergebung. Gestiftet vom britischen Volk und dem Königshaus Großbritanniens und gefertigt vom Sohn eines Piloten, der Dresden einst bombardierte, ist es das wohl markanteste Versöhnungszeichen.

Am 13. Februar 2000, dem 55. Jahrestag der Zerstörung Dresdens, übergab der Herzog von Kent das von britischen Spenden finanzierte neue Turmkreuz der Dresdner Frauenkirche. Geschaffen wurde das Turmkreuz als originalgetreue Kopie des alten geborgenen Kreuzes vom Silberschmied Alan Smith. Am 22. Juni 2004 wurde es zusammen mit der Laternenhaube auf seinen exponierten Standplatz gehoben und kündet seither von der Kraft eines versöhnten Miteinanders.

Alan Smith, der leider 2013 verstarb, beschrieb seine Arbeit einst so:

„Bis zu zehn Stunden am Tag verbrachte ich bei großer Hitze in meiner Werkstatt, acht Monate lang. Den Stahl und das Kupfer des Kreuzes hämmerte ich nach den alten Schmiedetechniken des 18. Jahrhunderts. Am Ende legte ich drei Schichten Blattgold auf, eine Schutzhülle für die Ewigkeit. Alte Zeichnungen waren die einzige Grundlage, die ich als Vorbild für meine Arbeit hatte: das neue Kuppelkreuz auf einer Halbkugel. Es sollte wieder die Spitze der Dresdner Frauenkirche krönen. Am Tag, als das Kreuz endlich auf der Kuppel fixiert wurde, konnte ich vom Turm aus die versammelte Menschenmenge von oben betrachten. Alle jubelten und applaudierten. Ich fühlte mich wie in einem Traum.

An diesem Tag ist für mich ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. Nur eines bedauere ich zutiefst: dass mein Vater diesen Tag nicht mehr miterleben konnte. Vor 59 Jahren hatte er aus einer ähnlichen Perspektive auf Dresden herabgesehen, nur aus einigen Metern höher: aus dem Cockpit seines Bomberflugzeugs der Royal Air Force. Das Bewusstsein dessen, was im Krieg tatsächlich geschehen war, ließ ihn nach den Angriffen auf Dresden nie wieder los. Zeitlebens verfolgten ihn die Erinnerungen, er wurde zum Pazifisten. In dieser Haltung wurden meine Geschwister und ich erzogen. Als ich damals von der Ausschreibung für die Fertigung des Dresdner Kuppelkreuzes erfuhr, wollte ich diesen Auftrag unbedingt. Ich setzte alles daran, ihn zu bekommen, überzeugte meine Firma, dass wir es schaffen können. Meine Motivation erzählte ich zunächst keinem. Als bekannt wurde, dass ich, der Sohn eines Bomberpiloten, das Kreuz für die Kirche schmiedete, stürzten sich alle auf diese Geschichte. Das erste Staunen wich einer sehr positiven Reaktion. Selbst die Kriegsveteranen aus meinem Land, die mit meinem Vater gedient hatten, klopften mir zustimmend auf die Schulter. Erzählten mir vieles über die Vergangenheit, über den Krieg. Sie hatten so viele Jahre darüber geschwiegen.

Ich habe schon mit Gold, Diamanten und Edelsteinen gearbeitet, Schmuckstücke für Königshäuser und arabische Herrscher gefertigt, Staatsgeschenke für die höchsten Würdenträger der Welt geschmiedet. Aber dieses sieben Meter hohe vergoldete Kreuz aus Stahl ist die Krönung meiner Laufbahn. Es war wie die Fertigung eines sehr komplizierten Puzzles, in dem sich die Vergangenheit und die Zukunft nahtlos ineinanderfügen.“

Alan Smith in Cicero (Auszüge)

Steinerne Flammenvasen schmücken die Treppentürme der Frauenkirche. Eine dieser Flammenvasen stammt aus der polnischen Kleinstadt Gostyn. Als eindrückliches Zeugnis internationaler Versöhnungsarbeit hat sie ihren Platz auf dem Treppenturm C gefunden.

Gostyn und Dresden sind Partnerstädte. Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht wurden im Oktober 1939 auf dem Marktplatz von Gostyn willkürlich 30 Einwohner erschossen. Daraufhin bildete sich eine bewaffnete Widerstandsgruppe, die „Schwarze Legion“, die den Kampf gegen die deutschen Besatzer vorbereitete. Die Gruppe wurde verraten, ihre Mitglieder – die meisten unter 20 Jahren – wurden nach Dresden gebracht, wo sie im Innenhof des Landgerichtsgebäudes auf dem Münchner Platz hingerichtet wurden. Drei Mitglieder konnten aufgrund ihrer Minderjährigkeit nicht zum Tode verurteilt werden und kamen ins Konzentrationslager.

Nach Kriegsende besuchten die Angehörigen der Hingerichteten Dresden. Sie wollten die Hinrichtungsstätte sehen und wissen, wo sich die letzte Ruhestätte ihrer Verwandten befindet. Ein reger Kontakt zwischen Dresden und Gostyn entwickelte sich über die Jahre hinweg. Ansinnen der Überlebenden der „Schwarzen Legion“, der Nachfahren der Getöteten sowie engagierter Dresdener ist es, die Erinnerung lebendig zu erhalten für eine friedliche Gegenwart und Zukunft. Als der Ruf aus Dresden zum Wiederaufbau der Frauenkirche erging, sammelten die Gostyner spontan Geld und beauftragten den polnischen Bildhauer Henryk Skudlarski mit der Fertigung einer Flammenvase. Die so genannte „Flamme der Versöhnung“ wurde 1999 in Dresden übergeben.

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