Das Nagelkreuz von Coventry

Seit 2005 ist die Frauenkirche Dresden Teil der internationalen Nagelkreuzgemeinschaft. Dieses weltweite Netzwerk aus Kirchen, Institutionen und Orten setzt sich in enger Verbindung zur Kathedrale von Coventry für Frieden und Versöhnung ein. Neben der Frauenkirche gibt es in Dresden vier weitere Nagelkreuzorte (Diakonissenanstalt, Kreuzkirche, Maria am Wasser und die Busmannkapelle). Deutschlandweit sind es 50, weltweit über 200 Mitglieder.

Für Frieden und Versöhnung einzutreten, heißt für die Nagelkreuzgemeinschaft konkret, Wunden der Geschichte zu heilen, Unterschiedlichkeit anzuerkennen und Vielfalt wertzuschätzen sowie eine Kultur des Friedens zu schaffen. Die Nagelkreuze haben daher ihren Platz an Orten gefunden, wo Menschen sich der Aufgabe stellen, alte Gegensätze zu überbrücken und Wege des Miteinanders zu gehen.

 

Vater vergib!

Ihren Ursprung hat die Nagelkreuzbewegung in Coventry. 1940 wurde die Stadt durch deutsches Bombardment komplett zerstört, so auch die St.-Michaels-Kathedrale. Dennoch rief Dompropst Richard Howard bereits zum Weihnachtsfest des gleichen Jahres in einer landesweiten Rundfunkübertragung aus der Kathedralruine dazu auf, keine Rache zu üben, sondern sich für Versöhnung einzusetzen.

Als sichtbares Zeichen hatte er aus alten Zimmermannsnägeln ein Kreuz geformt und später in die Chorwand die Worte »Vater vergib« einmeißeln lassen. Diese sind auch Teil des Gebetes, das an allen Nagelkreuzorten freitags 12 Uhr gesprochen wird. Im Zentrum dieser Versöhnungsliturgie steht die Bitte um Vergebung.

Alle haben gesündigt und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten. (Römer 3, 23)

Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse,
VATER VERGIB!

Das Streben der Menschen und Völker zu besitzen, was nicht ihr Eigen ist,
VATER VERGIB!

Die Besitzgier, die die Arbeit der Menschen ausnutzt und die Erde verwüstet,
VATER VERGIB!

Unseren Neid auf das Wohlergehen und Glück der Anderen,
VATER VERGIB!

Unsere mangelnde Teilnahme an der Not der Gefangenen, Heimatlosen und Flüchtlinge,
VATER VERGIB!

Die Gier, die Frauen, Männer und Kinder entwürdigt und an Leib und Seele missbraucht,
VATER VERGIB!

Den Hochmut, der uns verleitet, auf uns selbst zu vertrauen und nicht auf Gott,
VATER VERGIB!

Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem anderen, wie Gott euch vergeben hat in Jesus Christus. (Epheser 4, 32)

Das Versöhnungsgebet eint die weltweite Nagelkreuzgemeinschaft geistig und geistlich. Im Laufe der Jahre hat die deutsche Übersetzung nur minimale Veränderungen erfahren. Doch der Blick auf Formulierungen wandelt sich. Die Stimmen mehren sich, die den Wortlaut der ersten Bitte – »Den Hass, der Rasse von Rasse trennt« – problematisch finden. Frauenkirchenpfarrerin Angelika Behnke hat den Diskussionsstand hierzu zusammengefasst. Sie können den Text, der im Magazin »Leben in der Frauenkirche« 1/2022 erschienen ist, hier herunterladen.

Dean John Irvine

Wir wissen, dass wahre Versöhnung stattgefunden hat, wenn wir in der Lage sind, das Leid unserer Feinde wie das Leid unserer Freunde zu erinnern.

Geste der Versöhnung

Anlässlich des 50. Weihejubiläums der St. Michael’s Cathedral im Jahr 2012 schuf der sächsische Bildhauer Helmut Heinze im Auftrag der Stiftung Frauenkirche Dresden die Bronzeplastik „Chor der Überlebenden“. Das Kunstwerk mit ihren sieben von Feuer und Glut geformten und aufstrebend angeordneten Figuren fand ihren Platz im nordwestlichen Teil der Kathedralruine.