Erklärung der Stiftung Frauenkirche Dresden zum 13. Februar 2025

Gegen das Vergessen

Der 13. Februar wird in diesem Jahr – 80 Jahre danach – besonders fühlbar alte Wunden aufreißen. Doch dieses Datum ist stets im historischen Kontext zu sehen. Im Heute ist es Auftrag an uns alle, für Demokratie einzustehen.

Für viele Dresdner*innen bleibt der 13. Februar ein schwieriges, persönlich empfundenes Datum. Trauer stößt sich mit Aggression, Rechtfertigungsbedürfnissen und dem Versuch der Verächter unserer liberalen Demokratie, diesen Tag für ihren Kampf gegen das »System« und gegen ein weltoffenes Dresden zu instrumentalisieren.

Die Frauenkirche ist ein Wahrzeichen Dresdens, und der Ort der Stadt, an dem sich das Dunkle, Widersprüchliche, aber auch Hoffnungsvolle, das das Gedenken des 13. Februars auch in sich birgt, wie nirgendwo anders verdichten. Die Frauenkirche ist – anfänglich begleitet von viel Skepsis und Kritik – vor allem aus zwei Gründen wiederaufgebaut worden, einem äußeren und einem inneren. Einmal sollte die klaffende Wunde im Dresdner Stadtbild mit dem weltberühmten Wahrzeichen geschlossen werden. Zum anderen sollte das einmalige Wiederaufbauprojekt einen Eckstein zum nie abgeschlossenen Bau eines gemeinsamen Hauses Europa setzen. Die Satzung unserer Stiftung hält ausdrücklich fest, dass die wiederaufgebaute Frauenkirche »den Willen der Länder und Kirchen zum Aufbau eines gemeinschaftlichen Europas symbolisiert.« Auf diesem Boden hat sich die Frauenkirche von Anfang an als Friedens- und Versöhnungszentrum verstanden. Hier schlägt das Herz unserer Arbeit, es umgreift alle unsere Aktivitäten.

Um Frieden und Versöhnung ringen

Das gemeinschaftliche Europa ist ein weltweit einzigartiges Friedensprojekt und, bei allen Mühen und Rückschlägen, eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Es ist erwachsen durch die Entschlossenheit seiner Gründer*innen, aus den Irrwegen totalitärer Vergangenheit zu lernen. Sie waren beseelt von dem, was 1949 als Artikel 1 Eingang in unser Grundgesetz gefunden hat und den Geist dieser Verfassung bestimmt: »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.« In diesem großartigen Satz hat das sog. jüdisch-christliche Menschenbild seinen säkularen Niederschlag gefunden. Es ist aus der biblischen Überzeugung erwachsen, dass jeder Mensch zum Bild Gottes geschaffen ist, und deshalb einen unveräußerlichen Anspruch auf Würde und Unantastbarkeit seiner Person besitzt. Eine Würde, die auch durch noch so fehlbares Tun nicht beseitigt werden kann. Aus dieser Einsicht sind das vereinte Europa und unser demokratischer Rechtsstaat entstanden.

Diesem Erbe ist die Frauenkirche verpflichtet. Es bleibt für uns nicht verhandelbar. In diesem Jahr, 80 Jahre danach, halten nicht nur die immer noch gegenwärtigen Kriege unsere kollektiven Erinnerungen wach. Ganz bewusst zeigen wir in diesen Tagen die Ausstellung »Gegen das Vergessen« von Luigi Toscano: vor und in der Frauenkirche und an anderen öffentlichen Orten unserer Stadt. Der 13. Februar in Dresden darf niemals losgelöst von dem betrachtet werden, was ihm vorausging: vom Rassenwahn, von der Gewalt und Menschenverachtung des nationalsozialistischen Deutschlands.

Ausstellung GEGEN DAS VERGESSEN auf dem Neumarkt | Foto: Lukas Überhuber

Gegen das Vergessen

Heute hat das europa- und weltweite Erstarken rechtsnationalistischer Parteien und Bewegungen all jene, die für eine liberale Gesellschaft und für ein weltoffenes Dresden stehen, wieder in die Defensive gebracht. Die Unantastbarkeit der Würde eines jeden Menschen wird etwa durch den mächtigsten Mann der Welt offen bestritten. Ausgerechnet der Präsident der USA – einem Land, das sich immer als Hort der Menschenwürde verstanden hat – nimmt massiv Auf- und Abwertungen von Nationen und Menschengruppen vor, bis dahin, dass er queeren Menschen abspricht, Menschen zu sein. Der Beifall, den er nicht nur in seinem Land für solche Anschauungen bekommt, macht vielen Menschen Angst und muss alle Demokrat*innen mit Sorge erfüllen. Die jüngsten Abstimmungen im Bundestag, bei denen demokratische Parteien die Stimmen einer in mehreren Landesverbänden als gesichert rechtsextrem eingestuften Partei in Kauf genommen haben, machen uns nicht weniger besorgt.

Die Frauenkirche ist ein Haus, das Menschen aller Nationen, Religionen, Hautfarben und (sexueller) Identitäten offensteht und sie Willkommen heißt. Sie ist ein Ort des Friedens - und auch des Evangeliums von Jesus Christus, für das jeder Menschen die gleiche Würde und den gleichen Wert hat. Deshalb ist die Frauenkirche kein Symbol nationaler oder Dresdner »Größe«. Als vor 35 Jahren aus der Dresdner Bürgergesellschaft der Ruf laut wurde, sie wieder aufzubauen, entstand das Motto: Brücken bauen – Versöhnung leben. Es darf nicht wieder zur Normalität werden, Brücken einzureißen, Menschengruppen voneinander zu separieren und Ressentiments gegen Fremdes und Fremde zu schüren. Weil dies in Deutschland ab 1933 Normalität wurde, kam es zum 13. Februar 1945. »Nie wieder!“: Das war lange ein selbstverständlicher Grundkonsens. Inzwischen ist er es nicht mehr. Wir alle, jede und jeder einzelne, sind aufgerufen, das Unsere zu tun, dass das „Nie wieder!« auch in Zukunft über politische und gesellschaftliche Unterschiede hinweg alle Demokraten eint. Am 13. Februar und an jedem anderen Tag.


Maria Noth & Pfarrer Markus Engelhardt

Geschäftsführende der Stiftung Frauenkirche Dresden