Technologische Herausforderungen

Der Wiederaufbau der Frauenkirche war eine technische Meisterleistung. Aus einem enormen Trümmerberg sollte einerseits unter weitgehender Verwendung historischer Bausubstanz und dem Einbezug historischer Originalpläne, andererseits aber mit moderner Technik aktuellem baustatischen Wissen das Bauwerk wiedererstehen. Eine Herausforderung auf vielen Ebenen.

Für den originalgetreuen Wiederaufbau der Frauenkirche mussten zunächst bauplanerische Grundlagen geschaffen werden. Um die durch den Einsturz verloren gegangene Geometrie wieder zu finden und in Baupläne umzusetzen, orientierte sich der Wiederaufbau stark an den überlieferten und aufwändig rekonstruierten Tragstrukturen. Als Quellen dienten historische Pläne und Grundrisse sowie Dokumentationen der Sanierungsmaßnahmen im 19. und 20. Jahrhundert. 1993 wurde die Ruine fotogrammetrisch aufgenommen, um mittels der Fotografien die räumliche Lage bzw. dreidimensionale Form der Frauenkirche zu rekonstruieren. Die computergestützte Erstellung des dreidimensionalen Ausgangsmodells, das an gegebener Stelle die Tragkonstruktion verbessern und frühere Mängel korrigieren sollte, war insbesondere durch den barocken Baustil mit den vielen gekrümmten Flächen eine Herausforderung. Die Expertise und schöpferische Tätigkeit der Architekten und Ingenieure war besonders bei Konzeption und Berechnung der Stabilität und Standsicherheit gefragt.

Die Frauenkirche besteht aus Sandstein. Dieses natürliche Baumaterial hat eine hohe Festigkeit, ist optisch ansprechend und gut verarbeiten. Zudem war und ist er regional verfügbar: Sowohl der Sandstein für die Bähr’sche und die wieder aufgebaute Frauenkirche stammt aus den Postaer Steinbrüchen im Elbsandsteingebirge in der Nähe von Dresden. Was im 18. Jahrhundert noch unter größten körperlichen Mühen gebrochen und dann per Schiff elbabwärts nach Dresden transportiert werden musste, konnte beim Wiederaufbau technikgestützt erfolgen. Steinblöcke wurden kontrolliert abgesprengt oder per Hochdruckwasserstrahl geschnitten. In Werkstätten führten Steinmetzen Anpassungs- und Feinarbeiten aus. Der Transport zur Baustelle erfolgte als fertige Blöcke ausschließlich auf dem Landweg.

Die Hochbauplanung gab beim Wiederaufbau genau vor, wie weit Steine verzahnt sein mussten, wie stark die Fugen sein sollten und welcher Mörtelqualität es bedurfte. Bei den Pfeilern, der Kuppel und beim Ineinandergreifen von alten und neuen Steinen war das besonders anspruchsvoll. Für die Frauenkirche wurde ein spezieller Vergussmörtel für dünne Fugen entwickelt, um die strengen Vorgaben (6 mm) einzuhalten. Besonderes Augenmerk wurde auf die acht Innenpfeiler gelegt. Schon im originalen Tragekonzept waren sie von entscheidender Bedeutung gewesen, allerdings verliefen die Kraftflüsse teils anders als vom Barockarchitekten Bähr intendiert. Daher wurden beim Wiederaufbau aufwändige Berechnungen angestellt, um den Lastfluss zu korrigieren. Zudem wurden nur hochwertigste Sandsteinblöcke versetzt, deren Zuschnitt zudem Toleranzen von 1,5 mm (!) nicht überschreiten durfte. Die Aufstandsflächen der Pfeiler wurden verbreitert und weniger Einzelsteine pro Schicht verbaut, um die Fugenzahl zu verringern. Schließlich wurde sehr genau auf die Einhaltung der Fugendicke und die Mörtelqualität geachtet, sodass in der Summe die Tragfähigkeit des Pfeilermauerwerks verdoppelt wurde.

Für den Wiederaufbau wurde eine Vielzahl von Gerüsten benötigt. Die Zahl an Gerüststangen war gewaltig: Allein die Holzböden für die Gerüste für das Außenbauwerk bis zum Beginn des Kuppelanlaufs füllten 12 Sattelschlepper! Immer wieder war es erforderlich, spezielle Lösungen zu entwickeln – egal, ob die Gerüste Zugang zu höher gelegenen Gebäudeabschnitten ermöglichen oder Gebäudeteile zeitweilig tragen sollten. Für viele Bögen und Gewölbe mussten aufwändige Lehrschalungen konstruiert werden. Dies geschah nach überlieferten handwerklichen Regeln. Die zu erzeugenden Formen waren durch teils mehrfache Wölbungen oft komplex. Besonders anspruchsvoll waren die Schalungen für die Bögen zwischen den Innenpfeilern und für die Innenkuppel und die Hauptkuppel.

Eine Besonderheit der Frauenkirchenbaustelle war das höhenverstellbare Wetterschutzdach. Für eine Baustelle dieser Größe gab es dafür kein Vorbild. Doch weil ein witterungsunabhängiges Arbeiten gewährleistet werden sollte, musste eine Lösung gefunden werden. 1996 wurde eine Konstruktion geschaffen, die hydraulisch anhebbar war. Sie wurde insgesamt fünf Mal angehoben und zwei Mal umgebaut, um es dem Baufortschritt anzupassen. Bis zum ersten Umbau zwischen Januar und März 2002 waren nach drei Hebungen auf bis zu 44 m das Kirchenschiff, die Innenkuppel, der Beginn des Tambourzylinders, der Kuppelanlauf und der untere Bereich der Treppentürme entstanden. Für den Bau der Kuppel wurde eine neue Tragkonstruktion auf dem Kuppelanlauf errichtet, von der aus das Dach auf 57 m Höhe gehoben wurde. Die vierte hydraulische Anhebung fand Ende 2002 statt, ehe für die Fertigstellung des Laternenhalses und der Laterne ein erneuter Umbau erfolgte. Im Juli 2003 wurde das inzwischen nur einen kleinen Teil der Kuppel verhüllende Dach in einer Höhe von 76 m errichtet, ehe es im November des gleichen Jahres mit 83 m seine höchste Position erreichte.